Newsletter September 2023

Einsetzung einer Einigungsstelle zur Ausgestaltung der Arbeitszeit

LArbG München, Beschluss vom 22.05.2023 – 4 TaBV 24/23


Die Beteiligten streiten um die Einsetzung einer Einigungsstelle zur Ausgestaltung der Arbeitszeiterfassung für die Mitarbeiter im Außendienst. Antragsteller ist der Betriebsrat. Arbeitgeber ist ein Unternehmen, welches zu einer Unternehmensgruppe gehört. In der Unternehmensgruppe besteht eine Konzernbetriebsvereinbarung, die auch Fragen der Arbeitszeiterfassung umfasst. Sie gilt nur für die Mitarbeiter des Innendienstes; für Außendienstmitarbeiter existiert keine Regelung.

Der Betriebsrat fordert eine Betriebsvereinbarung zur Zeiterfassung im Außendienst. Die Arbeitgeberin teilte daraufhin mit, sie halte den Betriebsrat nicht für zuständig. Eine Verpflichtung zur Aufzeichnung der Arbeitszeit gelte auch für die anderen Unternehmen, weshalb der Konzernbetriebsrat zuständig sei. Man habe mit diesem Kontakt aufgenommen. Der Betriebsrat beschloss daraufhin, die Verhandlungen für gescheitert zu erklären.

Mit seinem Antrag bei Gericht begehrt der Betriebsrat die Einsetzung einer Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand: „Ausgestaltung der Arbeitszeiterfassung für die Mitarbeiter im Außendienst“ inkl. Festsetzung der Anzahl der Beisitzer und Festsetzung des Vorsitzenden.

Das Arbeitsgericht München setzte die Einigungsstelle ein.

Die Arbeitgeberin ist weiterhin der Auffassung, dass der Betriebsrat nicht zuständig sei. Die Arbeitszeiterfassung werde konzerneinheitlich über das SAP System geregelt. Entsprechend habe es erste Gespräche mit dem Konzernbetriebsrat zur Anwendung auch auf den Außendienst gegeben. Die Arbeitgeberin vertritt die Auffassung, dass das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats zur Ausgestaltung erst greife, wenn der Arbeitgeber die Einführung der Arbeitszeiterfassung plane. Derzeit sei jedoch keine Einführung geplant. Man habe beschlossen abzuwarten, was der Gesetzgeber mache. Auf jeden Fall sei der örtliche Betriebsrat nicht zuständig, weil für den Fall der Einführung eine elektronische Erfassung über SAP geplant sei.

Die Beschwerde der Arbeitgeberin blieb erfolglos. Das LAG München hat entschieden, dass die Einigungsstelle jedenfalls nicht offensichtlich unzuständig ist. Die Prüfung offener Rechtsfragen können nicht im Einsetzungsverfahren geregelt werden, sondern sind erster Prüfungsgegenstand der Einigungsstelle.

Nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG hat der Betriebsrat bei betrieblichen Regelungen über den Gesundheitsschutz mitzubestimmen. Das Mitbestimmungsrecht setzt ein, wenn eine gesetzliche Handlungspflicht objektiv besteht und wegen des Fehlens einer zwingenden gesetzlichenVorgabe betriebliche Regelungen notwendig werden. Bei der Frage ob Arbeitszeiterfassung erfolgen soll, besteht kein Mitbestimmungsrecht. Dies ist gesetzlich vorgegeben durch § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArSchG. Für das wie hingegen besteht ein Gestaltungsspielraum.

Fazit:

Der Betriebsrat hat ein Initiativrecht wie Arbeitszeiterfassung im Betrieb erfolgen soll.


Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung wegen rassistischer Beleidigung

LArbG Hamburg, Urteil vom 17.11.2022


Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

Der Kläger arbeitet seit 1998 bei der Beklagten. Nachdem er körperlich nicht mehr in der Lage war, seiner ursprünglichen Tätigkeit als Fahrer für Geldtransporte nachzugehen, versetzte die Beklagte ihn an den Empfang. Ein Kollege des Klägers kündigte seine Verspätung zu seiner Schicht bei einer anderen Kollegin an. Die Kollegin informierte den Kläger über die Verspätung und teilte ihm gleichzeitig mit, dass sie wegen der Betreuung ihres Kindes rechtzeitig in den Feierabend gehen müsse und daher nicht auf den verspäteten Kollegen warten kann. Der weitere Vortrag ist streitig. Ein Kurierfahrer, der zum Zeitpunkt des Vorfalls am Empang war, wurde als Zeuge vernommen. Die Beweiserhebung ergab folgenden Sachverhalt: Der Kläger sagte laut: „Ich hasse diese scheiß Ausländer.“ Zur Kollegin sagte er, sie solle sich verpissen. Beim Eintreffen des Kollegen sagte er: „Du bist zu spät Arschloch.“

Die Beklagte hörte daraufhin alle Beteiligten an. Sie hörte auch den Betriebsrat und das Integrationsamt zu der außerordentlichen Kündigung an. Der Betriebsrat stimmte der Kündigung nicht zu. Nachdem das Integrationsamt zugestimmt hatte, sprach die Beklagte die fristlose Kündigung aus.

Gegen diese Kündigung wehrt sich der Kläger. Die Klage blieb vor dem Arbeitsgericht und vor dem Landesarbeitsgericht erfolglos. Die Beklagte hatte durch die Zeugenaussage des Kurierfahrers den Beweis erbracht, dass der Kläger sich ausländerfeindlich geäußert habe und seinen Kollegen beleidigt hatte. Eine Abmahnung war aus Sicht der Gerichte entbehrlich, da der Kläger nicht damit rechnen konnte, dass seine Pöbeleien und rassistischen Beleidigungen geduldet werden. Im Rahmen der Interessenabwägung wurde sein Lebensalter sowie seine 23-jährige Betriebszugehörigkeit berücksichtigt. Dennoch hielt die Kammer das Verhalten des Klägers für eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für unzumutbar. Das Gericht berücksichtigte, dass sich der Vorfall im Empfangsbereich des Hauptgebäudes abgespielt hatte, in dem sich Kunden und sonstige Dritte aufhalten können. Selbst die Anwesenheit des Kurierfahrers habe den Kläger nicht bremsen können, was verschärfend hinzu kam.

Fazit:

Auch ein einmaliger Vorfall kann eine fristlose Kündigung rechtfertigen. Dies insbesondere bei rassistischen Beleidigungen.



Anhörung der Schwerbehindertenvertretung bei Kündigung während der Wartezeit

LArbG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 07.03.2023, 5 Sa 127/22


Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Kündigung während der ersten sechs Monate der Beschäftigung und zugleich um die Wirksamkeit der Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung am Kündigungsverfahren. Die Klägerin ist scherbehindert.

Die Beklagte beantragte mit Schreiben vom 08.02.2022 beim Personalrat unter Mitteilung der Sozialdaten die Zustimmung zur beabsichtigten ordentlichen Kündigung der Klägerin. Sie begründete die Kündigung mit Schwierigkeiten bei der selbständigen Koordinierung der Vorgänge zwischen den Fachbereichen. Der Vorgesetzte könne eine Eignung der Klägerin für diese Stelle nicht erkennen.

Der Schwerbehindertenvertretung übersandte die Beklagte eine Kopie des an den Personalrat gerichteten Schreibens. An der Sitzung, bei der die Anhörung zur Kündigung behandelt wurde, nahm auch die Schwerbehindertenvertretung teil. Der Personalrat stimmte der Kündigung nicht zu. Die Beklagte kündigte dennoch das Arbeitsverhältnis der Klägerin. Hiergegen erhob die Klägerin Klage. Sie vertritt die Auffassung, dass die Schwerbehindertenvertretung nicht ordnungsgemäß beteiligt wurde. Das an den Personalrat gerichtete Schreiben stelle keine ordnungsgemäße Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung nach § 178 Abs. 2 SGB IX dar. Es sei lediglich eine Information, aber keine Anhörung.

Das Arbeitsgericht gab der Klage statt. Das LArbG Rostock wies die Berufung zurück.

Die Gerichte stellten übereinstimmend fest, dass die Kündigung unwirksam sei, weil die Schwerbehindertenvertretung nicht ordnungsgemäß angehört wurde. Für die Anhörung der Schwerbehindertenvertretung gelten die gleichen Grundsätze wie für die Anhörung des Personalrats. Die Unterrichtung der Schwerbehindertenvertretung sei nur dann rechtmäßig, wenn die Arbeitgeberin ausreichend unterrichtet und ihr genügend Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wird. Dabei muss die Unterrichtung so detailliert sein, dass diese in die Lage versetzt wird, auf die Willensbildung der Arbeitgeberin einzuwirken. Der Kündigungssachverhalt muss so umfassend beschrieben werden, dass sich die SBV ohne zusätzliche eigene Nachforschungen ein Bild über die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe machen kann. Ferner arbeitete das Gericht heraus, dass der Gesetzgeber offenbar bei Einfügen des § 178 SGB IX das Fristenproblem übersehen habe und schlägt deshalt die analoge Anwendung des § 102 Abs. 2 BetrVG vor. Hervorgehoben wurde auch, dass der Angehörte erkennen muss, dass eine Stellungnahme abgegeben werden kann. Dem genügt ein Schreiben an den Personalrat nicht.



Kein Nachteil i.S.v. § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG, wenn die beabsichtigte Umgruppierung dem geltenden Entgeltschema entspricht.

LArbG Kiel, Beschluss vom 15.02.2023, 6 TaBV 10/22


Arbeitgeber und Betriebsrat streiten im Rahmen eines Zustimmungsersetzungsverfahrens , ob der Betriebsrat zu Recht die Zustimmung zu einer von dem Arbeitgeber beabsichtigten Umgruppierung eines Mitarbeiter verweigern durfte.

Der Arbeitgeber ist ein Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie. Auf die Arbeitsverhältnisse findet der Tarifvertrag der Metall- und Elektroindustrie für Hamburg und Umgebung Anwendung. Hinsichtlich der Vergütung gilt der Entgeltrahmentarifvertrag.

Der Arbeitnehmer war von 2012 bis 2015 als Leiter der Abteilung Auftragswesen Luftfahrt beschäftigt und in die EG 11 eingruppiert. Seit 2015 war dem Arbeitnehmer wegen einer Umstrukturierung die Leitungsfunktion entzogen worden. Die neue Stelle erfüllte lediglich die Merkmale der EG 10. Arbeitgeber und Arbeitnehmer kamen überein, dass der Arbeitnehmer weiterhin in die EG 11 eingruppiert bleiben soll.

Im Jahr 2021 fand eine weitere Umstrukturierung statt. Der Arbeitnehmer wechselte erneut die Stelle und war danach kaufmännischer Controller. Diese Stelle erfüllt unstreitig die Merkmale der EG 10. Der Arbeitnehmer sollte dementsprechend von der EG 11 auf die EG 10 umgruppiert werden, womit dieser einverstanden war.

Im Rahmen des Anhörungsverfahrens verweigerte der Betriebsrat die Zustimmung zur Umgruppierung mit der Begründung, dem Arbeitnehmer entstünden durch die Umgruppierung Nachteile. Ihm sei zugesagt worden, dass er keine finanziellen Nachteile erleide. Dies sei aber jetzt der Fall.

Sowohl das Arbeitsgericht, als auch das Landesarbeitsgericht ersetzten die fehlende Zustimmung des Betriebsrats zur beabsichtigten Umgruppierung.

Der Arbeitnehmer werde durch die Umgruppierung nicht benachteiligt, da die Umgruppierung tariflich korrekt sei. Da es zu den Aufgaben des Betriebsrats gehöre, darauf zu achten, dass die geltenden Tairfverträge angewendet werden, würde der Betriebsrat in einen nicht aufzulösenden Interessenkonflikt geraten. Einerseits wäre er gehalten, wegen der nicht eingehaltenen Zusage die Zustimmung zu verweigern. Andererseits müsste er darauf dringen, dass der Tarifvertrag eingehalten werde. Ein Nachteil für den Arbeitnehmer entstünde immer nur dann, wenn die tarifliche Eingruppierung objektiv falsch sei.

Regina Steiner
Silvia Mittländer
Erika Fischer

Fachanwältinnen
für Arbeitsrecht

Große Friedberger Straße 42
60313 Frankfurt / Main

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