Newsletter August 2024

Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats zu einer Versetzung – arbeitsschutzwidriger Zustand des vorgesehenen neuen Arbeitsplatzes

LAG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 31.03.2009, 5 TaBV 13/08

Die Arbeitgeberin (A) beantragt die gerichtliche Ersetzung der vom BR verweigerten Zustimmung zu 28 örtlichen Versetzungen und die Feststellung, dass die Maßnahmen dringend erforderlich waren. Die 28 Arbeitnehmer waren bisher in einem angemieteten Gebäude untergebracht. Ziel der Arbeitgeberin war es sämtliche Arbeitnehmer nur noch in eigenen Immobilien unterzubringen. Vor diesem Hintergrund wurde der Mietvertrag zum 31.12.2007 gekündigt. Die A hörte den BR zu den

28 Versetzungen an, die zukünftig in einem Gebäude der A in einen anderen Stadtteil versetzt werden sollten. Dieses Gebäude wird vom BR als eines der Gebäude mit den besten Arbeitsbedingungen angesehen. Allerdings befürchtet der BR, dass die A in diesem Gebäude schon mehr Arbeitnehmer zusammenzieht bzw. zusammengezogen hat, als das Gebäude hergibt. Zwischen A und BR ist deshalb ein auf vielen Ebenen ausgetragener Streit um die notwendige Mindestgröße für Arbeitsplätze und von Verkehrsflächen entstanden. In diesem Zusammenhang erging ein Einigungsstellenspruch durch den eine Betriebsvereinbarung „Mindestanforderungen an Arbeitsplätze“ ergangen ist.

Am 02.11.2007 hörte die A den BR zu den geplanten Versetzungen an, da die Fläche zu räumen war und noch Rückbaumaßnahmen anstanden. Dem Versetzungsantrag beifügt war eine Liste der betroffenen Arbeitnehmer und diverse Möblierungspläne, aus denen ersichtlich wird, wieviel Personen in dem Raum untergebracht werden sollen. Teilweise ist angegeben, wie groß der Abstand zwischen den einzelnen Schreibtischen ist, so dass auf die Fläche geschlossen werden kann, die den Arbeitnehmern zur Verfügung steht. Es lässt sich jedoch nicht nachvollziehen, wie viele Arbeitsplätze den 28 Arbeitnehmern insgesamt zur Verfügung stehen.

Der BR hat den Versetzungen widersprochen. Er begründet dies mit einer unzureichenden Unterrichtung über diverse Parameter, der ins Auge gefassten neuen Arbeitsplätze, insbesondere um zu überprüfen, ob der Standort bereits überfüllt ist. Außerdem wird die Zustimmungsverweigerung mit einem Verstoß gegen die BV „Mindestanforderungen an Arbeitsstätten“ begründet (Unterschreitung der Mindestflächen, Überschreitung der Grenzen der Lärmpegel, unzureichende Auslegung der Fluchtwege).

Die A hat die Maßnahme durchgeführt und das Verfahren eingeleitet. Das Arbeitsgericht hat die fehlende Zustimmung des BR zu den Versetzungen ersetzt.

Der BR wiederholt beim LAG sein bisheriges Vorbringen und meint zusätzlich, dass die Frist des § 99 BetrVG noch nicht zu laufen begann, da er noch nicht alle Informationen hatte. Die A meint, dass der BR keine weiteren Informationen benötige und verneint das Vorliegen eines anerkannten Zustimmungsverweigerungsgrundes.

Das LAG schließt sich der Entscheidung des Arbeitsgerichts mit folgender Begründung an. Die vom BR vorgebrachten Argumente gehören nicht zu den förmlichen Zustimmungsverweigerungsgründen des § 99 Abs. 2 BetrVG. Zwar kann der BR die Zustimmung zu einer personellen Einzelmaßnahme verweigern, wenn diese gegen eine BV verstößt, jedoch ist nicht jeder Verstoß gegen eine betriebliche Norm tauglich. Vielmehr muss es sich um Normen handeln, deren Schutzzweck nicht anders als durch das gänzliche Unterlassen der personellen Maßnahme gesichert werden kann. Nach ständiger Rechtsprechung des BAG dient das Zustimmungsverweigerungsrecht nicht einer umfassenden Rechtmäßigkeitskontrolle.

Im vorliegenden Fall kann der Schutzzweck der genannten Normen der BV auch durch andere Maßnahmen erreicht werden, da der einzelne Arbeitnehmer nicht schutzlos gestellt ist. Er kann gegen Gesetzesverstöße vorgehen, ggfls. kann er die Behörde einschalten. Er kann verlangen, dass der Arbeitgeber die Betriebsvereinbarung einhält, da sie unmittelbar und zwingend für sein Arbeitsverhältnis gilt. Das LAG nahm daher an, dass ein Verstoß gegen arbeitsschutzrechtliche Normen an dem vorgesehenen Arbeitsplatz den Betriebsrat zu einer Zustimmungsverweigerung berechtigt, wenn der Normverstoß nicht behoben werden kann oder so schwer ist, dass die Aufnahme der Tätigkeit selbst für eine gedachte Übergangszeit bis zur Behebung des Mangels nicht hinnehmbar ist. Auch die Unterrichtung des BR sei ausreichend. Die A hat i.S.d. § 99 Abs. 1 BetrVG ausreichend unterrichtet.

Die Rechtsbeschwerde zum BAG wurde nicht entschieden, da das Verfahren eingestellt wurde (nicht dokumentiert).

Fazit:

Zwar hat der Betriebsrat im vorliegenden Fall das Verfahren verloren. Er hat jedoch seinen Standpunkt klar vertreten und auch in der Öffentlichkeit diesen klargemacht. Darüber hinaus hat das Gericht deutlich gemacht, dass das Verfahren bei noch gröberen Verstößen anders hätte ausgehen können. Es kommt also sehr auf die Umstände im Betrieb an.


Einigungsstellenspruch zu Gefährdungsbeurteilungen

BAG, Beschluss vom 13.08.2019, 1 ABR 6/18


Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit eines Einigungsstellenspruchs zur Erstellung einer Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG. Die Einigungsstelle beschloss durch Spruch eine Betriebsvereinbarung zur Durchführung der Gefährdungsbeurteilung. Der Betriebsrat hat beantragt die Rechtsunwirksamkeit des Spruchs festzustellen.

Der Spruch der Einigungsstelle legt nicht fest, in welchen regelmäßigen Abständen die Gefährdungsbeurteilung erneut vorzunehmen ist. Die Gefährdungsbeurteilung sei keine einmalige Angelegenheit. Darüber hinaus fehle es bereits an der Konkretisierung der zu untersuchenden Arbeitsplätze. Ferner würden die Untersuchungsgegenstände nicht ausreichen konkretisiert. Diese Aufgabe wurden an den Abteilungsleiter übertragen, der dies entscheiden solle. Auch das vorgesehene Verfahren zur Beurteilung der psychischen Belastungen überlasse die Konkretisierung einem Analyseteam. Damit sei insgesamt der Regelungsgegenstand nicht vollumfassend von der Einigungsstelle geregelt.

Das Arbeitsgericht und das LAG haben die Unwirksamkeit des Einigungsstellenspruchs festgestellt. Dagegen hat die Arbeitgeberin Rechtsbeschwerde eingelegt.

Das BAG hat sich in einem Punkt der Begründung angeschlossen. Die Einigungsstelle hat ihren Regelungsauftrag nicht erfüllt, weil nicht festgelegt wurde, in welchen Intervallen die Gefährdungsbeurteilung wiederholt werden muss. Übertragen die Betriebsparteien der Einigungsstelle den Auftrag, die Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen zu regeln, muss diese die nach § 87 Abs. 7 BetrVG i.V.m. § 5 ArbSchG und – so weit die Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung betroffen ist – i.V.m. § 6 ArbSchG mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten ausgestalten. Die Gefährdungsbeurteilung ist ein zentrales Element des Gesundheitsschutzes und notwendige Voraussetzung für die betriebliche Umsetzung der Arbeitsschutzpflichten des Arbeitgebers. Zum Regelungsauftrag gehört typischerweise auch die Dokumentation ihrer Ergebnisse, anhand derer Maßnahmen zum Gesundheitsschutz abgeleitet werden.

Die Einigungsstelle hat Vorgaben zu bestimmen, in welchen zeitlichen Abständen die Gefährdungsbeurteilung anlassunabhängig zu wiederholen ist. Dies hat die Einigungsstelle versäumt, weshalb sie unwirksam ist.

Die übrigen vom Betriebsrat monierten Punkte gaben für das BAG keine Veranlassung die Unwirksamkeit festzustellen.

Fazit:

In einer Betriebsvereinbarung zur Gefährdungsbeurteilung können die Betriebsparteien vieles einvernehmlich regeln. Wenn es jedoch zu einem Spruch der Einigungsstelle kommt, muss sehr sorgfältig darauf geachtet werden, welche Punkte spruchfähig sind und ob der Regelungsgegenstand umfassend bearbeitet wurde.


Mitbestimmung des Betriebsrats bei Regelungen
zur Wärmeentlastung – Initiativrecht

LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 06.12.2019, 2 TaBV 1886/19


Der Betriebsrat begehrt die Einsetzung einer Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand „Wärmeentlastung“. Mit dem Gesamtbetriebsrat wurde eine Betriebsvereinbarung zur Wärmeentlastung und Luftqualität geschlossen. In einem anderen Verfahren schlossen die Betriebsparteien einen Vergleich, nach dem unter anderem Maßnahmen der Temperaturmessung vereinbart sind. Gespräche und

E-Mail-Verkehr zu einer Umsetzung oder Anpassung der GBV Wärmeentlastung und Luftqualität blieben erfolglos, weshalb der Betriebsrat nunmehr die Einsetzung der Einigungsstelle begehrt.

Das Arbeitsgericht hat die Einigungsstelle eingesetzt und zwei Beisitzer von jeder Seite festgelegt. Hiergegen ist die Arbeitgeberin in die Beschwerde gegangen.

Der Antrag des Betriebsrats sei unbegründet, da aufgrund der wirksamen und ungekündigten GBV kein Regelungsbedarf bestehe. Im Übrigen habe der Betriebsrat keinen Einigungsversuch unternommen.

Die Beschwerde blieb erfolglos. Der Betriebsrat hat ein Mitbestimmungsrecht nach

§ 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG. Für die Ausübung des Mitbestimmungsrechts ist nicht der GBR, sondern der BR zuständig. Eine offensichtliche Unzuständigkeit liege nicht vor.

Der Gesamtbetriebsrat ist nur originär zuständig, wenn eine Angelegenheit, die das Gesamtunternehmen betrifft nicht durch die einzelnen Betriebsräte geregelt werden kann. Die sozialen Angelegenheiten fallen i.d.R. in die Zuständigkeit des Betriebsrats, da sie betriebsbezogen geregelt werden sollten. Das BAG hat entschieden, das Maßnahmen zur Verringerung von aufgrund Hitze in den Arbeitsräumen auftretenden Belastungen der Arbeitnehmer sich typischerweise konkret auf die Gegebenheiten in den einzelnen Arbeitsräumen auf betrieblicher Ebene beziehen und daher eine originäre Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats ausschließen (BAG 18.07.2017 – 1 ABR 59/15).

Fazit:

Nicht jede Vereinbarung des Gesamtbetriebsrats ist wirksam abgeschlossen. Nur wenn der Gesamtbetriebsrat originär zuständig ist, darf er handeln. Originäre Zuständigkeit bedeutet, dass die Vereinbarung nur unternehmenseinheitlich geregelt werden kann. In allen anderen Fällen ist der Betriebsrat zuständig, der Angelegenheiten an den GBR delegieren kann. Er kann aber auch selbst die Angelegenheit bearbeiten.

Regina Steiner
Silvia Mittländer
Erika Fischer

Fachanwältinnen
für Arbeitsrecht

Große Friedberger Straße 42
60313 Frankfurt / Main

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