Newsletter August 2023

Arbeitsvertragliche Befristung – Altersgrenze 60. Lebensjahr

LArbG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25.02.2021 – 2 Sa 195/20


Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis aufgrund einer vertraglich vereinbarten Altersgrenze beendet wurde.

Der Arbeitsvertrag der Klägerin enthielt folgende Regelung:

„… Das Arbeitsverhältnis endet ohne Kündigung mit Vollendung des
60. Lebensjahres…“

Mit Schreiben vom 25. Oktober 2019 teilte die Arbeitgeberin der Klägerin mit, dass ihr Arbeitsverhältnis am 26. Oktober 2019 wegen der Regelung im Arbeitsvertrag enden werde.

Hiergegen erhob die Klägerin Klage. Sie vertritt die Auffassung, dass das Arbeitverhältnis weder durch die Befristung noch durch die Kündigung endet, sondern unverändert fortbesteht.

Die Klage war vor dem Arbeitsgericht erfolgreich. Hiergegen ging die Beklagte in Berufung.

Die Beklagte behauptet, es sei der Wunsch der Klägerin gewesen, mit Erreichen des 60. Lebensjahres aus dem Arbeitsverhälntis auszuscheiden. Normalerweise würden ihre Arbeitsverträge derartige Klauseln nicht vorsehen. Es sei nicht Aufgabe des Arbeitgebers, die Ursache für diesen Wunsch zu erforschen.

Die Klägerin behauptet, es sei nie ihr Wunsch gewesen, dass es zu einem automatischen Ende des Arbeitsverhältnisses kommt. Der geschlossen Vertrag sei nicht mit der Beklagten ausgehandelt, sondern von dieser vorgegeben gewesen.

Auch das LAG gab der Klage statt. Das Arbeitsverhältnis wurde nicht durch die Befristungsabrede beendet.

Die Befristung ist nicht durch in der Person der Klägerin liegende Gründe nach § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 TzBfG gerechtfertigt. Allein die Unterzeichung des Arbeitsvertrags ist kein Anhaltspunkt, aus dem ein Interesse des Arbeitnehmers gerade an einer befristeten Beschäftigung folgt. Dazu müssen objektive Umstände kommen, wie z.B. familiäre Verpflichtungen, eine noch nicht abgeschlossene Ausbildung oder ein Heimkehrwunsch eines ausländischen Arbeitnehmers. Entscheidend ist, ob der Arbeitnehmer auch bei einem Angebot auf Abschluss eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses nur ein befristetes vereinbart hätte

Die Revision wurde nicht zugelassen. Das BAG hatte bereits im Jahr 2017 (BAG 18. Januar 2017 – 7 AZR 236/15) entschieden, dass objektive Gründe für eine Befristung, die auf Wunsch eines Arbeitnehmers vorgenommen wird, vorliegen müssen.


Auslegung einer Vertragsklausel, die eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Vollendung des 65. Lebensjahrs vorsieht

BAG Urteil vom 21.12.2022 – 7 AZR 489/21


Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis am 30. September 2019 geendet hat.

Der Kläger arbeitet seit 1993 bei der Beklagten und ist seit 2009 nach § 38 BetrVG freigestelltes Betriebsratsmitglied. Darüber hinaus war er Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats und Mitglied im Aufsichtsrat. Im Arbeitsvertrag war folgendes geregelt:

„Das Arbeitsverhältnis endet spätestens mit Ablauf desjenigen Monats, in welchem Sie Altersruhegeld bewilligt erhalten oder Sie das 65. Lebensjahr vollendet haben.“

Im September 2019 wurde der Kläger 65 Jahre und 8 Monate und erreichte damit die für ihn maßgebliche Regelaltersrente.

Außergerichtlich im Rahmen vorprozessualer Korrespondenz teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass das Arbeitsverhältnis zum 30.09.2019 enden werde.

Der Kläger erhob Klage und macht geltend, die Altersgrenzenregelung des Arbeitsvertrags bewirke keine Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Diese Regelung sei intransparent, denn „Altersruhegeld sei kein gesetzlich definierter Begriff und biete zahlreiche Auslegungsmöglichkeiten. Es gäbe verschiedene Renten, wegen Alters und es sei nicht klar, welcher Zeitpunkt gemeint sei. Unklar sei wegen des Wort „spätesten“, ob die Beendigung mit der früher oder später eintretenden Alternative eintrete. Sie sei auch deshalb unklar, weil die Formulierung fehle, „ohne dass es einer Kündigung bedarf“.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, die Regelung sei nicht intransparent, sondern eine Befristung bis zum Erreichen der Regelaltersrente.

Das Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht wiesen die Klage des Klägers ab. Die Revision zum BAG hatte keinen Erfolg.

Die Regelung des Arbeitsvertrags beinhaltet eine wirksame Befristungsabrede dahingehend, dass das Arbeitsverhältnis mit Erreichen der Regelaltersgrenze beendet wird. Die Regelung sei nicht intransparent. Sie regelt klar und deutlich, dass das Arbeitsverhältnis spätestens mit dem Zeitpunkt endet, in dem der Kläger, die für ihn maßgebliche Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung erreicht. Die Klausel ist entsprechend auszulegen, da zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung die Regelaltersgrenze bei 65 war und es dementsprechend keine Veranlassung gab eine genauere Bestimmung vorzunehmen. Die Vollendung des

65. Lebensjahres war ein Synonym für die Vollendung des gesetzlichen Renteneintrittsalters.

Eine Intransparenz folgt auch nicht aus dem fehlenden Zusatz „ohne dass es einer Kündigung bedarf“. Auch ohne diesen Zusatz wird deutlich, dass das Arbeitsverhältnis zu diesem Zeitpunkt enden soll.


Abgelehnte Bewerbung eines Altersrentners – Entschädigung wegen Altersdiskriminierung

LAG Hamm, Urteil vom 09.03.2023


Die Parteien streiten sich über Entschädigungsansprüche des Klägers wegen Altersdiskriminierung im Zusammenhang mit einer abgelehnten Bewerbung.

Der am 26.06.1952 geborene, schwerbehinderte Kläger befindet sich nach langjähriger Tätigkeit als Lehrer seit Ende 2018 im Ruhestand. Seither war er wiederholt im Rahmen von befristeten Arbeitsverhältnissen für das beklagte Land tätig. Im Dezember 2021 bewarb er sich neben einem am 05.04.1981 geborenen weiteren Bewerber auf eine befristete Vertretungsstelle. Beide Bewerber wurden zu Vorstellungsgesprächen eingeladen. Nach Abschluss des Auswahlverfahrens wurde der Kläger zunächst von der Schulleitung zur Einstellung vorgeschlagen. Danach teilte die Schulleitung mit, der Kläger sei zwar besser qualifiziert, man beantrage aber gleichwohl die Besetzung der Stelle mit dem Mitbewerber.

Hintergrund war ein Erlass des Ministeriums für Schule und Weiterbildung. Hierin heißt es: „Eine Einstellung oder auch die Verlängerung eines lfd. Vertretungsvertrags mit einer Person, die kein Lehramt hat oder die bereits die Altersgrenze überschritten hat, kommt ab dem 02.02.2013 nur dann in Betracht, wenn eine Ausschreibung ohne Ergebnis geblieben ist.“

Der Kläger begehrt das beklagte Land zu verurteilen an ihn eine Entschädigung nach dem AGG in Höhe von 30.000,00 € zu zahlen.

Das Land berief sich bei der Ablehnung des Klägers auf sozialpolitische Ziele, im Interesse einer ausgewogenen Verteilung der Beschäftigungsmöglichkeiten zwischen den Generationen. Es müsse auch eine Perspektive für Berufseinsteiger eröffnet werden.

Der Kläger berief sich darauf, dass der Mitbewerber weder Berufsanfänger sei noch einem jüngeren Bewerber die Möglichkeit eröffnet wurde, einen Einstieg zu finden, da der Mitbewerber bereits 41 Jahre alt sei.

Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht wiesen die Klage ab. Zwar wurde der Kläger wegen seines Alters diskriminiert. Dies sei jedoch aus sachlichen Gründen gerechtfertigt. Das Ziel, jüngeren Bewerbern eine Einstiegsmöglichkeit zu geben, sei eine legitimes Ziel. Es läge auch kein Verstoß gegen die Bestenauslese nach Art. 33 Abs. 2 GG vor, da es für das Merkmal Eignung auch auf die Umsetzung der Einstellungspolitik ankomme. Auch die Erreichung oder Erhaltung einer ausgewogenen Altersstruktur sei ein angemessenes Ziel. Ferner habe der Mitbewerber die Grenze für die Regelaltersrente weit unterschritten. Deshalb komme es nicht darauf an, dass er bereits 41 Jahre sei.


Ist ein Headset eine technische Überwachungseinrichtung?

LAG Sachsen, Beschluss vom 21.10.2022 – 4 TaBV 9/22


Die Beteiligten streiten über die Frage, ob der Betriebsrat bei der Anordnung zum Tragen von Headsets während der Arbeit ein Mitbestimmungsrecht hat. Die Beteiligte zu 2. ist ein international tätiges Bekleidungsunternehmen, dessen Zentrale sich in Dublin befindet. Der Beteiligte zu 1. ist der örtliche Betriebsrat (BR), eines der Standorte. Im Unternehmen besteht ein Gesamtbetriebsrat (GBR). Das Unternehmen beabsichtigt die Ablösung der bisher verwendeten Walkie-Talkies durch Headsets. Die für die Headsets verwendete Software wird über die IT-Abteilung in Dublin betreut. Am Standort gibt es keine eigene IT-Abteilung. Beim Einsatz der Geräte werden Headset-Registrierungsdaten (ID, die eindeutige Gerätenummer (IPEI), Bezeichnung des Geräts und Zeitpunkt der Verbindung) nach Dublin übertragen. Ferner werden die Betriebsdaten, die DECT-Verbindung (Funkstandard) mit der Basisstation im Store und generelle Systeminformationen weitergegeben. Ferner kann die zuletzt ausgeführte Aktion aus der Gerätekonfiguration ausgelesen werden. Auch diese Daten werden nach Dublin übermittelt.

Im Unternehmen existiert eine vom GBR geschlossene Rahmenvereinbarung IT. Die einzelnen mitbestimmungspflichtigen Systeme werden zu der Gesamtbetriebsvereinbarung als Anlage genommen. Für die Headsets wurde eine solche Anlage vereinbart, in der geregelt wurde, dass die Headsets nicht zur Verhaltens- und Leistungskontrolle eingesetzt werden. Ferner haben einzelne örtliche Betriebsräte eigene Vereinbarungen geschlossen. Trotz Verhandlungen kam es zwischen den Beteiligten nicht zu einer Vereinbarung.

Der BR sieht ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 und Nr. 1 BetrVG. Die Arbeitgeberin meint, eine betriebsübergreifende Regelung sei zwingend erforderlich. Deshalb sei der GBR originär zuständig. Ferner behauptet sie, dass eine Überwachung technisch nicht möglich sei, da die Headsets keinem bestimmten Mitarbeiter zugeordnet seien.

Das Arbeitsgericht hat die Unterlassungsanträge des BR zurückgewiesen; die Beschwerde zum LAG blieb erfolglos. Das LAG ist der Ansicht, dass eine Leistungskontrolle durch die Sprachübertragung per Headset objektiv nicht durchführbar sei. Es fehle eine Individualisierbarkeit der Arbeitnehmer. Die Headsets seien unstreitig keinem bestimmten Mitarbeiter zugeordnet. Deshalb ist die Zuordnung der Daten in der Zentrale in Dublin zu einem bestimmten Arbeitnehmer nicht möglich. Der technischen Einrichtung fehle bereits die objektive Überwachungseignung.

Soweit ein Mitbestimmungsrecht bejaht wird, sei jedenfalls der örtliche BR unzuständig. Bei der Einführung der Headsets bestehe eine technisch bedingte Notwendigkeit einer betriebsübergreifenden Regelung. Diese ergebe sich aus der alleinigen Zuständigkeit der Zentrale in Dublin. Für die Beurteilung der Frage sei auf die technische Lösung abzustellen, welche der Arbeitgeber für die Erreichung seiner Zwecke gewählt habe. In Dublin werde die Software gesteuert. Das Betreiben der Headsets ohne die Software sei nicht möglich. Daraus folge die Zuständigkeit des GBR nach § 50 Abs. 1BetrVG.

Die Rechtsbeschwerde wurde zugelassen. Sie ist unter dem Aktenzeichen 1 ABR 16/23 anhängig.

Fazit: Es bleibt abzuwarten, wie das BAG entscheiden wird. Aus meiner Sicht verneint das LAG zu Unrecht ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Nach der Rspr. des BAG kommt es nicht darauf an, auf welche Weise erfasste Leistungs- und Verhaltensdaten bestimmten Arbeitnehmern zugeordnet werden. Dies muss nicht mit der eingesetzten Software geschehen, sondern kann auch durch das Personalisieren der Headsets vorgenommen werden. Für die Frage des Mitbestimmungsrechts kommt es deshalb nicht darauf an, dass das Unternehmen (derzeit) eine Personalisierung nicht vornimmt. Jedenfalls sind die Headsets zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle geeignet.

Regina Steiner
Silvia Mittländer
Erika Fischer

Fachanwältinnen
für Arbeitsrecht

Große Friedberger Straße 42
60313 Frankfurt / Main

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