Newsletter Juli 2024

Berufsausbildungsverhältnis - Auszubildender - Außerdienstliches Verhalten - Außerordentliche Kündigung - Sexuelle Belästigung

LAG Niedersachsen, Urteil vom 28.02.2024, 2 Sa 375/23


Die Parteien streiten um den Bestand ihres Ausbildungsverhältnisses, welches vom Arbeitgeber wegen sexueller Belästigung einer anderen Auszubildenden gekündigt wurde.

Die Beklagte ist ein Unternehmen der Automobilindustrie. Der 1996 geborene Kläger war seit dem 1. September 2020 als Auszubildender zum Elektroniker für Automatisierungstechnik in dem Betrieb der Beklagten beschäftigt. In dem Betrieb ist ein Betriebsrat gebildet.

Bei der Beklagten gilt eine Betriebsvereinbarung (BV), welche eine Störung des Arbeits- oder Betriebsfriedens als möglichen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung benennt.

Ferner verpflichtet ein geltender „Code of Conduct“ alle Mitarbeiter, jede Art von Diskriminierung (z. B. durch Benachteiligung, Belästigung, Mobbing) zu unterlassen und ein respektvolles partnerschaftliches Miteinander zu ermöglichen.

Die Betriebsvereinbarung 1/07 erklärt in der Präambel jede Art von Diskriminierung beispielsweise in Form der sexuellen Belästigung für nicht statthaft. Der Begriff der sexuellen Belästigung wird sodann wie folgt näher definiert: „Sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornografischen Darstellungen. Was als sexuelle Belästigung empfunden wird, ist durch das subjektive Empfinden des Betroffenen bestimmt.“

Diese betrieblichen Regelungen sind im Intranet für alle Beschäftigten der Beklagten frei zugänglich und damit jederzeit einsehbar.

Der Kläger nahm im Rahmen von Bildungsurlaub als einer von 22 Auszubildenden an einem sogenannten Jugend-1-Seminar der IG teil. Die einzige weibliche Teilnehmerin an diesem Seminar war die Zeugin K. Der Kläger und die Zeugin K. kannten sich vor dem Seminar nicht. Die Zeugin K. hat ausgesagt, der Kläger habe sich beim Verlassen des Schwimmbads zwischen sie und den Zeugen H. gedrängt, ihr auf die Brust geschlagen, die Hand dort liegengelassen und sodann versucht, ihren Kopf zu sich hinzudrehen, wobei er mit seinem Kopf und einem Kussmund an sie herangekommen sei. Der Zeuge H. hat ausgesagt, der Kläger habe zunächst seinen Arm um ihn gelegt und sodann auch bei der Zeugin K. und zwar so weit, dass er an ihre Brust gekommen sei. Er habe weiter angegeben, wahrgenommen zu haben, dass der Kläger seinen Kopf in Richtung der Zeugin K. gedreht habe, nicht aber, dass der Kläger seinerseits den Kopf von der Zeugin K. genommen habe. Übereinstimmend gaben die Zeugen K und H. an, dass die Zeugin K. weglief und zu dem Kläger sagte: „Fass mich nicht an!“ Während sie aus dem Schwimmbad herausgelaufen ist, hat der Kläger ihr hinterhergerufen: „Stell dich nicht so an!“.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Die Kündigung ist wirksam.

Die außerordentliche Kündigung verstößt nicht gegen das Ultima-Ratio-Prinzip.

Danach kommt eine außerordentliche Kündigung nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeits- bzw. Ausbildungsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind.

Eine Abmahnung ist dann entbehrlich, wenn es um schwerwiegende Pflichtverletzungen geht, deren Rechtswidrigkeit ohne weiteres erkennbar ist und bei denen eine Hinnahme oder Duldung dieses Verhaltens durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist. Gemessen an diesen Voraussetzungen war eine vorherige Abmahnung des Klägers wegen der Schwere der Pflichtverletzung entbehrlich.

Als milderes Mittel gegenüber der außerordentlichen Kündigung kommt eine Versetzung in einen anderen Betrieb der Beklagten nicht in Betracht. Dem steht die Schwere des Fehlverhaltens des Klägers entgegen. Ferner wäre der Kläger auch in einem anderen Werk der Beklagten in einem anderen Ausbildungsjahrgang mit anderen (weiblichen) Auszubildenden zusammen.

Der Arbeitnehmer ist auch außerhalb der Arbeitszeit verpflichtet, auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen. Die Pflicht zur Rücksichtnahme kann deshalb auch durch außerdienstliches Verhalten verletzt werden. Allerdings kann ein außerdienstliches Verhalten des Arbeitnehmers die berechtigten Interessen des Arbeitgebers oder anderer Arbeitnehmer grundsätzlich nur beeinträchtigen, wenn es einen Bezug zur dienstlichen Tätigkeit hat. Das ist der Fall, wenn es negative Auswirkungen auf den Betrieb oder einen Bezug zum Arbeitsverhältnis hat. Fehlt ein solcher Zusammenhang, scheidet eine Pflichtverletzung regelmäßig aus.

Die vom Kläger begangene sexuelle Belästigung hat einen solchen Bezug zum Arbeitsverhältnis. Dieser Bezug besteht bereits darin, dass der Kläger seine Kollegin, die Zeugin K., belästigt hat.

Fazit:

Sexuelle Belästigung ist in keinem Fall hinnehmbar und führt zu Recht zu einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses.


Weiterbeschäftigungsverlangen eines Jugend- und Auszubildendenvertreters nach § 78a BetrVG - ausbildungsadäquater Arbeitsplatz

LAG Hamm, Beschluss vom 11.01.2013,10 Ta BV 5/12


Die Beteiligten streiten über die Auflösung des Arbeitsverhältnisses eines Mitglieds der Jugend- und Auszubildendenvertretung.

Die Arbeitgeberin betreibt eine Raffinerie mit Petrochemie. In ihrem Betrieb gibt es einen Betriebsrat und eine Jugend- und Auszubildendenvertretung. Die Auszubildende (A) absolvierte eine Ausbildung für den Beruf einer Industriemechanikerin, die sie mit bestandener Abschlussprüfung beendete. Sie war Mitglied in der Jugend- und Auszubildendenvertretung.

Die Arbeitgeberin führte mehrere Jahre umfangreiche Umstrukturierungsmaßnahmen zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit und Standortsicherung durch, die auch Personalabbaumaßnahmen beinhalteten. Es wurden mehrere Interessenausgleiche gemäß § 111 BetrVG abgeschlossen, die einen Abbau von insgesamt 446 Arbeitsplätzen in der Zeit von 2009 bis Ende 2012 vorsahen.

Die geplanten Umstrukturierungsmaßnahmen beinhalteten auch den Abbau sämtlicher Arbeitsplätze der Industriemechaniker.

Entsprechend ihrem Personalkonzept bot die Arbeitgeberin, den in Frage kommenden Ausbildungsabsolventen der Januar - Prüfung 2011 auf zunächst 6 Monate befristete Arbeitsverträge in der Logistik an. Der Auszubildenden sowie einem weiteren Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung wurde der Abschluss eines bis zum 31.12.2012 (dem geplanten Ende der sukzessiven Verlagerung) befristeten Arbeitsvertrages angeboten, wenn sie auf ein Übernahmeverlangen nach § 78a BetrVG verzichten.

Die Auszubildende lehnte das Angebot ab und beantragte „die unbefristete Weiterbeschäftigung gemäß § 78a Abs. 2 BetrVG als Industriemechanikerin ".

Tatsächlich wurde die Auszubildende während der Dauer des vorliegenden Verfahrens entsprechend dem angebotenen, befristeten Arbeitsvertrag im Bereich Logistik (Häfen, Bahn / TKW - Verladung) angelernt, ausgebildet und beschäftigt. Ende September 2011 erwarb sie die Qualifikation als Lokrangierführerin.

Die Arbeitgeberin hat die Ansicht vertreten, das mit der Auszubildenden begründete Arbeitsverhältnis sei aufzulösen, da kein auf Dauer angelegter freier Arbeitsplatz zur Verfügung gestanden habe, auf dem sie mit ihrer in der Ausbildung erworbenen Qualifikation hätte beschäftigt werden können. Auf eine Stelle im Produktions- oder Logistikbereich könne sich die Auszubildende aber nicht berufen, da sie ihr nicht mitgeteilt habe, auch mit einer anderweitigen Beschäftigung einverstanden zu sein.

Die Auszubildende hat die Ansicht vertreten, ihre Weiterbeschäftigung sei der Arbeitgeberin nicht unzumutbar, da ein freier und auf Dauer angelegter Arbeitsplatz, auf dem sie mit ausbildungsadäquaten Tätigkeiten beschäftigt werden könne, vorhanden sei. Es handele sich hierbei um den Arbeitsplatz in der Logistik, den die Arbeitgeberin ihr unstreitig bereits angeboten habe, wenn auch nur befristet.

Das Arbeitsgericht hat das Arbeitsverhältnis aufgelöst. Das LAG Hamm schloss sich der Entscheidung des Arbeitsgerichts an.

Die Weiterbeschäftigung der Auszubildenden war der Arbeitgeberin zum Zeitpunkt der Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses unzumutbar, da ein freier und für eine Besetzung mit der Auszubildenden geeigneter dauerhafter Arbeitsplatz als Industriemechanikerin nicht zur Verfügung gestanden hat.

Nach § 78a Abs. 2 S. 1 BetrVG gilt zwischen einem Auszubildenden, der Mitglied des Betriebsrates oder eines der anderen dort genannten Betriebsverfassungsorgane ist, und dem Arbeitgeber im Anschluss an das Berufsausbildungsverhältnis ein Arbeitsverhältnis auf bestimmte Zeit als begründet, wenn der Auszubildende in den letzten drei Monaten vor Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses vom Arbeitgeber schriftlich die Weiterbeschäftigung verlangt. Durch ein form- und fristgerechtes Übernahmeverlangen des Auszubildenden entsteht zwischen dem Arbeitgeber und dem Mitglied der in § 78a Abs. 1 BetrVG genannten Arbeitnehmervertretungen nach § 78a Abs. 2 S. 1 BetrVG ein unbefristetes Vollzeitarbeitsverhältnis in seinem Ausbildungsberuf.

Hiernach ist zwischen der Arbeitgeberin und der Auszubildenden im Anschluss an das Berufsausbildungsverhältnis nach § 78a Abs. 2 S. 1 BetrVG ein Arbeitsverhältnis als Industriemechanikerin zustande gekommen. Die Voraussetzungen des § 78a Abs. 2 S. 1 BetrVG sind erfüllt. Die Auszubildende war Mitglied in der Jugend- und Auszubildendenvertretung und die Frist BetrVG wurde eingehalten

Die Fortsetzung des nach § 78a Abs. 2 Satz 1 BetrVG begründeten Arbeitsverhältnisses ist dem Arbeitgeber aus betrieblichen Gründen unzumutbar, wenn in seinem Betrieb kein freier Arbeitsplatz vorhanden ist, auf dem der Auszubildende mit seiner durch die Ausbildung erworbenen Qualifikation dauerhaft beschäftigt werden kann.

Eine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Weiterbeschäftigung des Auszubildenden zu anderen als den sich aus § 78a BetrVG ergebenden Arbeitsbedingungen besteht lediglich dann, wenn sich der Auszubildende zumindest hilfsweise mit einer Beschäftigung zu geänderten Vertragsbedingungen bereit erklärt hat.

Vorliegend hat sich die Auszubildende nicht, auch nicht hilfsweise, mit einer Beschäftigung zu geänderten Vertragsbedingungen bereit erklärt. Das von der Arbeitgeberin unterbreitete Angebot auf Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages als „Verladefachkraft Bahn / TKW" wurde von der Auszubildenden abgelehnt und auch nicht hilfsweise angenommen. Auch in ihrem Weiterbeschäftigungsverlangen hat sie sich nicht mit einer Beschäftigung zu geänderten Vertragsbedingungen bereit erklärt.

Vorliegend konnte die Arbeitgeberin der Auszubildenden die Tätigkeit einer „Verladefachkraft Bahn / TKW" bzw. die Tätigkeit als Lokrangierführerin nicht einseitig kraft des ihr zustehenden Direktionsrechts zuweisen, da diese Tätigkeiten nicht dem Berufsbild eines Industriemechanikers entsprechen.

Da nach alledem zum Zeitpunkt der Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses kein freier Arbeitsplatz vorhanden war, auf dem die Auszubildende mit ihrer durch die Ausbildung zur Industriemechanikerin erworbenen Qualifikation dauerhaft hätte beschäftigt werden können, war das Arbeitsverhältnis auf Antrag der Arbeitgeberin aufzulösen.

Fazit:

Bei dem Weiterbeschäftigungsverlangen sollte man ggfls. zumindest hilfsweise auch eine ausbildungsfremde Tätigkeit in Betracht ziehen, wenn es den Ausbildungsberuf zukünftig im Betrieb nicht mehr geben sollte. Dies muss im Weiterbeschäftigungsverlangen deutlich werden.


Weiterbeschäftigung eines Auszubildendenvertreters in einem Arbeitsverhältnis - fristgerechtes Übernahmeverlangen - Hinweispflicht des Arbeitgebers

BAG, Beschluss vom 05.12.2012, 7 ABR 38/12


Die Beteiligten streiten darüber, ob zwischen der Arbeitgeberin und einem Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung im Anschluss an das Berufsausbildungsverhältnis ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen ist. Hilfsweise begehrt die Arbeitgeberin die Auflösung dieses Arbeitsverhältnisses nach § 78a Abs. 4 BetrVG.

Die Arbeitgeberin betreibt ein Unternehmen für technische Dienstleistungen zur Errichtung und Instandhaltung von Industrieanlagen. In ihrem Betrieb in G gibt es einen Betriebsrat und eine Jugend- und Auszubildendenvertretung.

Der Auszubildende (A) absolvierte ab dem 1. September 2007 bei der Arbeitgeberin eine Ausbildung zum Gerüstbauer. Im Jahr 2008 wurde er in die Jugend- und Auszubildendenvertretung gewählt. Während der Ausbildung wurde er verschiedentlich wegen Unpünktlichkeit sowie wegen verspäteter Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung abgemahnt. Mit Schreiben vom 29. Januar 2010 teilte die Arbeitgeberin dem Auszubildenden mit, sie werde ihn im Anschluss an seine Ausbildung nicht in ein Arbeitsverhältnis übernehmen.

Daraufhin wandte sich der Auszubildende mit gewerkschaftlichem Schreiben vom 23. Februar 2010 an die Arbeitgeberin und begehrte nach Abschluss der Ausbildung die Weiterbeschäftigung nach § 78 a BetrVG.

Die Arbeitgeberin antwortete der gewerkschaftlichen Vertretung mit Schreiben vom 8. März 2010, sie werde den Auszubildenden im Anschluss an die berufliche Ausbildung weiterbeschäftigen; für den Fall erneuter Verstöße gegen Pflichten aus dem Ausbildungsverhältnis behalte sie sich vor, die Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach § 78a Abs. 4 BetrVG zu beantragen. Dem Auszubildenden ließ sie unter dem 9. März 2010 ein Schreiben folgenden Inhalts zukommen:

„ … im Frühsommer dieses Jahres werden Sie voraussichtlich Ihre Ausbildung zum Gerüstbauer mit der Abschlussprüfung beenden.

Sollten Sie bis dahin ihren Pflichten als Auszubildender ordnungsgemäß nachkommen, werden wir Sie entgegen dem Schreiben vom 29.01.2010 weiterbeschäftigen…"

Am 8. März 2010 wurde die Arbeitgeberin darüber informiert, dass sich der Auszubildende im Rahmen der schulischen Ausbildung am 3. und am 4. März 2010 jeweils eine Stunde unentschuldigt verspätet habe. Dazu kamen weitere unentschuldigte Verspätungen von drei Stunden am 8. Juni 2010. In der Woche vom 28. Juni bis zum 2. Juli 2010 erschien der Auszubildende nicht zur Arbeit auf der Baustelle in S, ohne die Arbeitgeberin von seiner Arbeitsunfähigkeit in Kenntnis zu setzen; eine entsprechende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung legte er erst am 5. Juli 2010 vor.

Der Auszubildende bestand die Abschlussprüfung am 12. Juli 2010. Mit gewerkschaftlichem Schreiben vom 14. Juli 2010 erneuerte er sein Übernahmeverlangen. Daraufhin leitete die Arbeitgeberin am 16. Juli 2010 das vorliegende Beschlussverfahren ein.

Die Arbeitgeberin hat die Auffassung vertreten, ein Arbeitsverhältnis sei nicht begründet worden, weil der Auszubildende, die für ein Übernahmeverlangen zu wahrende Dreimonatsfrist des § 78a Abs. 2 Satz 1 BetrVG nicht eingehalten habe. In den Schreiben vom 8. und 9. März 2010 sei eine Übernahme des Auszubildenden in ein Arbeitsverhältnis nicht vorbehaltlos zugesichert, sondern vom künftig pflichtgemäßen Verhalten des Auszubildenden abhängig gemacht worden. Das Verhalten des Auszubildenden habe sich nicht gebessert. Dies zeigten die weiteren Verspätungen in der Berufsschule und die verspätete Entschuldigung der Arbeitsunfähigkeit. Jedenfalls sei ihr die Weiterbeschäftigung des Auszubildenden unzumutbar und daher ein etwa entstandenes Arbeitsverhältnis aufzulösen.

Der Auszubildende hat die Auffassung vertreten, aufgrund seines Weiterbeschäftigungsverlangens vom 23. Februar 2010 sei zwischen ihm und der Arbeitgeberin ein Arbeitsverhältnis zustandegekommen. Auch die „vorfristige“ Geltendmachung wahre die Dreimonatsfrist des § 78a Abs. 2 Satz 1 BetrVG. Im Übrigen könne sich die Arbeitgeberin nach ihren Schreiben vom 8./9. März 2010 auf eine Versäumung der Frist nicht mehr berufen. Die Weiterbeschäftigung sei ihr auch nicht unzumutbar.

Das Arbeitsgericht hat dem Antrag der Arbeitgeberin entsprochen. Die Beschwerde des Auszubildenden blieb ohne Erfolg.

Der Auszubildende hat seine Weiterbeschäftigung nicht rechtzeitig innerhalb von drei Monaten vor Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses verlangt. Danach ist zwischen der Arbeitgeberin und dem Auszubildenden kein Arbeitsverhältnis entstanden. Der Auszubildende gehört zwar zu dem von § 78a Abs. 1 BetrVG geschützten Personenkreis. Im maßgeblichen Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses war er Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung, die im Betrieb der Arbeitgeberin gebildet ist. Er hat aber seine Weiterbeschäftigung gegenüber der Arbeitgeberin nicht - wie nach § 78a Abs. 2 Satz 1 BetrVG erforderlich - fristgerecht innerhalb der letzten drei Monate vor Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses verlangt.

Sein Schreiben vom 23. Februar 2010 ging der Arbeitgeberin bereits vor Fristbeginn, sein Schreiben vom 14. Juli 2010 erst nach Fristablauf zu.

Der Jugendvertreter muss sein Weiterbeschäftigungsverlangen grundsätzlich form- und fristgerecht nach § 78a Abs. 2 Satz 1 BetrVG geltend machen.

Das Verhalten der Arbeitgeberin zielte nicht darauf ab, den Auszubildenden von der fristgerechten Geltendmachung seines Übernahmeverlangens abzuhalten. Der Auszubildende durfte aufgrund, des an ihn persönlich gerichteten Schreibens der Arbeitgeberin vom 9. März 2010 weder darauf vertrauen, dass ihn die Arbeitgeberin ungeachtet seines weiteren Verhaltens übernehmen werde, noch konnte er berechtigterweise davon ausgehen, dass ein fristgerechtes Übernahmeverlangen entbehrlich sei.

Fazit:

Formvorschriften müssen immer beachtet werden. Wenn Sie nicht eingehalten werden, kommt es zu einer Überprüfung, ob ein evtl. geltendgemachtes Auflösungsverlangen zur Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung führt.

Regina Steiner
Silvia Mittländer
Erika Fischer

Fachanwältinnen
für Arbeitsrecht

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