Newsletter Juni 2023

Der Begriff „Freizeitausgleichsansprüche“ in einem arbeitsgerichtlichen Vergleich umfasst auch Ansprüche auf Überstundenvergütung

LArbG Hamm vom 24.03.2023 - 1 Sa 1217/22


Wird ein Beschäftigter gekündigt und erhebt eine Kündigungsschutzklage, kommt es in den meisten Fällen zu einem arbeitsgerichtlichen Vergleich. Das Arbeitsverhältnis wird beendet gegen Zahlung einer Abfindung. In diesem Vergleich werden offene Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis mitgeregelt, wie z.B. die Gewährung von Resturlaub und der Umgang mit Zeitguthaben und Überstunden.

Im vorliegenden Fall lautete die Vereinbarung im Vergleich:

„Der Kläger wird unwiderruflich unter Fortzahlung der Vergütung sowie unter Anrechnung auf etwaige noch offenen Urlaubs- und Freizeitansprüche bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses freigestellt.“

Der Kläger verlangte die Bezahlung von 553 Überstunden nach Abschluss des Vergleichs. Das LAG führte aus, dass Freizeitausgleichsansprüche auch Ansprüche auf Abgeltung von Überstunden erfasst. Und mit der Freistellung damit auch Freizeit für geleistete Überstunden/Mehrarbeit erfolgt ist.

Sollte die Zeit der Freistellung zu kurz sein alle Freizeitansprüche zu realisieren, ist der Kläger beweispflichtig, dafür, dass die Überstunden/Mehrarbeit von der Arbeitgeberin veranlasst worden ist.


Fristlose Kündigung- Anspruch auf Verzugslohn bei Arbeitsverweigerung

BAG vom 29.03.2023 – 5 AZR 255/22


Ein Arbeitgeber kündigte einem Beschäftigten außerordentlich und forderte ihn gleichzeitig auf zur Arbeit zu erscheinen falls er davon ausginge, dass die Kündigung rechtsunwirksam sei und er an dem Beschäftigungsverhältnis festhalten wolle.

Der Beschäftigte erhob Kündigungsschutzklage, erschien jedoch nicht zur Arbeit. Die Kündigung wurde im Kündigungsschutzprozess für unwirksam erklärt. Das Arbeitsverhältnis bestand weiterhin fort. Der Beschäftigte verlangte nun seinen ihm nicht gezahlten Lohn für die Zeit bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Kündigungsschutzprozess (sogenannter Verzugslohn).

Der Arbeitgeber verweigerte die Zahlung des ausstehenden Entgelts mit der Begründung, dass der Beschäftigte ja hätte arbeiten können und dann auch Verdienst erzielt hätte. Er hätte ihm eine Prozessbeschäftigung angeboten. Der Arbeitgeber gewann in zwei Instanzen. Das Bundesarbeitsgericht hat nun dem Beschäftigten Recht gegeben und entschieden, dass es dem Beschäftigten nicht zumutbar war, während des Verlaufs des Prozesses zu arbeiten. Der Arbeitgeber hatte im Kündigungsschutzprozess schwere Vorwürfe gegen den Beschäftigten erhoben und ihn in seiner Person herabgewürdigt. Der Arbeitnehmer durfte seine „Rehabilitation“ durch den gewonnenen Prozess abwarten. Erst danach war er zur Arbeitsleistung verpflichtet.


Kein wirksamer Arbeitnehmerdatenschtuz im Bundesdatenschutzgesetz verankert.

EuGH vom 30.03.2023 C-34/21


Gegenstand des Rechtsstreites war, dass Lehrkräfte verpflichtet wurden, während der Corona-Pandemie an Videokonferenzen teilzunehmen. Ihre Einwilligung hierzu wurde nicht eingeholt.

Das Kultusministerium berief sich auf eine Erlaubnisnorm aus dem hessischen Datenschutzgesetz, die wortidentisch ist mit § 26 BDSG. Danach dürfen personenbezogene Daten von Beschäftigten verarbeitet werden, soweit es für die Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich ist.

Dem EuGH wurde die Frage zur Entscheidung vorgelegt. Die Datenschutzgrundverordnung erlaubt den Mitgliedstaaten durch Art. 88 den Beschäftigtendatenschutz selbst zu gestalten. Davon hat der hessische und der bundesdeutsche Gesetzgeber Gebrauch gemacht. Der EuGH hat die Vorschriften jedoch für unwirksam erklärt. Wenn ein Mitgliedstaat von der Öffnungsklausel des

Art. 88 DSGVO Gebrauch macht, muss er gleichzeitig geeignete Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten treffen. Das sieht Art 88 DSGVO im Absatz 2 vor. Diese Maßnahmen müssen u.a. der Wahrung der menschlichen Würde, der berechtigten Interessen und der Grundrechte der betroffenen Person dienen. Solche Maßnahmen hat der bundesdeutsche Gesetzgeber nicht vorgesehen. Weshalb § 26 BDGS unwirksam ist.

Für die Praxis bedeutet dies, dass die Verarbeitung von Arbeitnehmer:innendaten nur streng auf der Grundlage der DSGVO erfolgen kann. § 26 BDSG dient nicht länger als Rechtsgrundlage für die Arbeitgeber.

Regina Steiner
Silvia Mittländer
Erika Fischer

Fachanwältinnen
für Arbeitsrecht

Große Friedberger Straße 42
60313 Frankfurt / Main

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