Newsletter April 2025

Schadensersatzanspruch wegen Diskriminierung wegen des Geschlechts durch eine Kundin

LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 20.11.2024, 10 Sa 13/24


Die Parteien streiten um einen Schadensersatzanspruch nach § 15 AGG.

Die Arbeitgeberin bietet Bauleistungen im Hochbau an, vorallem bietet sie den Bau und die Renovierung von Ein- und Mehrfamilienhäusern an. Die Klägerin ist Architektin und übernimmt im Rahmen ihrer arbeitsvertraglichen Tätigkeit neben der Beratung und Planung von Bauvorhaben auch die Bauleitung für beauftragte Bauvorhaben. Neben einer verstetigten monatlichen Grundvergütung erhält sie eine leistungsabhägige Vergütung, die auch von der Höhe, der mit den Aufträgen erzielten Umsätzen abhängig ist.

Die Klägerin beriet eine Kundin zu einem Bauvorhaben. In diesem Gespräch verlangte die Kundin, dass für den Fall der Auftragserteilung sie jedoch von einem männlichen Mitarbeiter beraten und betreut werden wolle. Hierauf reagierte die Arbeitgeberin in der Weise, dass sie die Betreuung dem Vorgesetzten der Klägerin übertrug. Ein vorhergehendes Gespräch mit der Kundin oder sonstige Bemühungen fanden nicht statt.

Hierin sieht die Klägerin eine nicht gerechtfertigte Diskriminierung wegen ihres Geschlechts und macht gegen die Arbeitgeberin einen Schadensersatzanspruch gerichtlich geltend, da dieser eine Zahlung zuvor abgelehnt hatte. Sie verweist darauf, dass die Arbeitgeberin nach ihrer Ansicht verpflichtet gewesen sei, nach der Äußerung der Kundin geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um dieser Diskriminierug entgegenzuwirken.

Das LAG gab der Klägerin nun Recht und begründet dies mit dem Verstoß der Arbeitgeberin gegen § 12 Abs. 4 AGG. Danach dürfen Arbeitgeber, wenn ein diskriminierendes Verhalten von einer Dritten, also der Kundin ausginge, dieses nicht einfach hinnehmen, sondern müsse sich schützend vor die Beschäftigte stellen und geeignete Maßnahmen zu deren Schutz ergreifen. Da die Kundin ausdrücklich einen Mann als Betreuer verlangte, sei von einer unmittelbaren Diskriminierung auszugehen. Die Arbeitgeberin müsse daher den Versuch einer gütlichen Lösung mit der Kundin herbeiführen, um sicherzustellen, dass der Beschäftigten keine Nachteile aus der Diskriminierung erwachsen. Berufliche Nachteile seien vorliegend darin zu sehen, dass die Klägerin ihr berufliches Können nicht habe unter Beweis stellen können sowie in der Vereitelung einer nicht unerheblichen Provisionschance.

Fazit: Das AGG verbietet damit den Arbeitgebern nicht nur, selbst nicht zu diskriminieren. Die Verpflichtung geht damit noch viel weiter: es müssen diskriminierende Verhaltensweisen, denen eigene Beschäftigte ausgesetzt sind und von Dritten herrühren, unterbunden werden. Mindestens müssen die Arbeitgeber ernsthafte Bemühungen an den Tag legen, um das diskriminierende Verhalten der Dritten, häufig Kunden oder Lieferanten, abzuhalten und abzuwehren. Diese eigentlich selbstverständliche Pflicht, die sich bereits aus den allgemeinen Regelungen der in § 618 BGB niedergeschriebenen Fürsorgepflicht der Arbeitgeber ergibt, ist ausdrücklich in § 12 Abs. 4 AGG ausformuliert und damit verbindliche Regelung und Verpflichtung der Arbeitgeber im Rahmen des Diskriminierungsrechts. Betriebsräte sollten hierauf achten und von Diskriminierungen Dritter möglicherweise betroffene Beschäftigte auch konkret ansprechen, ob und in welchem Umfang dies in ihren Betrieben vorkommt. Nur so kann mit den Instrumenten der Betriebsverfassung dem entgegengewirkt werden.

Gleiches Entgelt auch für Mini-Jobber

BAG Urteil vom 18.01.2023, 5 AZR 108/22


Die Arbeitgeberin ist ein Rettungsdienst. Dieser beschäftigt sogenannte hauptamtliche Rettungssanitäter. Das sind solche, die entweder einen Vollzeit- oder einen Teilzeitarbeitsvertrag haben, der die Grenze der geringfügigen Beschäftigung überschreitet. Daneben arbeiten sogenannte nebenamtliche Rettungssanitäter bei der Arbeitgeberin. Diese sind geringfügig Beschäftigte. Ihr Arbeitsvertrag lautet auf

16 Stunden im Monat; der Umfang der Arbeit kann bis zur Grenze der Geringfügigkeit geleistet werden.

Hauptamtliche und nebenamtliche Rettungssanitäter arbeiten im Schichtdienst, der alle Wochentage rund um die Uhr umfasst. Zur Erstellung des Schichtplans erhalten zunächst die Nebenamtlichen die Möglichkeit, ihre Wunsch-Schichten einzutragen. Ob diesen Wünschen entsprochen wird, entscheidet allein die Arbeitgeberin.

Hauptamtliche Rettungssanitäter erhalten eine Stundenvergütung von 17,00 €, nebenamtliche hingegen nur eine solche in Höhe von 12,00 €. Hiergegen wehrte sich der Kläger und berief sich auf das Diskriminierungsverbot nach § 4 Abs. 1 TzBfG. Die Arbeitgeberin wandte ein, dass die niedrigere Vergütung zwar eine Ungleichbehandlung darstelle, diese aber durch sachliche Gründe gerechtfertig sei. Zum einen sei durch die hauptamtlichen Rettungssanitäter der Schichtplan besser und zuverlässiger planbar, da diese wegen der umfangreicheren Arbeitszeit auch längere Schichten übernehmen könnten. Zum anderen bestehe bei Übernahme mehrerer Schichten die Gefahr, dass die Grenzen einer geringfügigen Beschäftigung überschritten werden und dann sozialversicherungsrechtliche Probleme entstünden.

Das BAG gab dem klagenden Rettungssanitäter vollumfänglich Recht. Zunächst stellte das BAG mit aller Deutlichkeit klar, dass ein sogenannter Minijob nichts anderes als eine Teilzeitbeschäftigung sei und daher unter das Benachteiligungsverbot falle. Sodann führte es aus, dass zwar Fallkonstellationen denkbar seien, in denen die Ausgestaltung, der zu übernehmenden Tätigkeit eine niedrigere Vergütung rechtfertige. Hierauf könne die Arbeitgeberin sich vorliegend aber nicht berufen, denn sowohl der Inhalt der Tätigkeit als auch deren Ausgestaltung unterscheide sich bei den Nebenamtlichen nicht von denen der Hauptamtlichen. Beide übernehmen während der Schicht dieselben Tätigkeiten und trügen dieselbe Verantwortung. Die bessere oder andere Planbarkeit der Einsätze könne bei Ausübung derselben Tätigkeit hingegen kein sachlicher Grund für eine niedrigere Vergütung sein. Auch die sozialversicherungsrechtliche andere Behandlung stelle keinen sachlichen Grund für die niedrigere Vergütung dar. Arbeitsrechtlich sei grundsätzlich nicht der Netto- sondern der Bruttoverdienst ausschlaggebend. Daher stehe den nebenamtlichen Rettungssanitätern derselbe Stundenlohn in Höhe von 17,00 € zu wie den Hauptamtlichen.

Fazit: Das BAG hat mehrfach und in dieser Entscheidung erneut klargestellt, dass sogenannte Minijobs nichts anderes als Teilzeitverträge sind. Daher unterliegen diese dem Diskriminierungsverbot nach § 4 TzBfG. Zudem hat das BAG sehr deutlich gemacht, dass die sozialversicherungsrechtlichen Besonderheiten dieser Beschäftigungsform unter keinen Umständen ein sachlicher Grund für eine Ungleichbehandlung gegenüber anderen Beschäftigten rechtfertigt. Betriebsräte sollten sich klar machen, dass die Ungleichbehandlung oft nicht nur den Stundenlohn betrifft. Vielmehr erhalten geringfügig Beschäftigte häufig nicht die tariflichen oder betriebsüblichen Sonderzahlungen und sind häufig auch von Zuschlägen aller Art ausgeschlossen. Dem gilt es, sich betrieblich entgegenzustellen.

Brückenteilzeit im Blockmodell – verstetigte Vergütung?

LAG Hamburg, Urteil vom 04.03.2020, 5 SaGa 2/19


Eine Pilotin einer großen deutschen Airline hat bei ihrer Arbeitgeberin eine Brückenteilzeit nach § 9a TzBfG für die Dauer von drei Jahren gestellt. Der Betrieb erfüllt die betrieblichen Voraussetzungen und sie hat die formellen Anforderungen in Bezug auf Frist und Schriftform gewahrt. Sie erfüllt zudem die erforderliche Betriebszugehörigkeit von deutlich mehr als sechs Monaten.

Die Besonderheit ist, dass sie nicht beantragt hat, ihre wöchentliche oder monatliche Sollarbeitszeit vorübergehend zu reduzieren. Vielmehr hat sie beantragt, für das erste Quartal eines jeden im beantragten Zeitraum Kalenderjahres nicht zu arbeiten und für den Rest des Jahres weiter Vollzeit zu arbeiten. Ferner hat sie den Antrag unter der Bedingung gestellt, dass sie verstetigt, also über das gesamte Kalenderjahr, eine um 25 % reduzierte monatliche Vergütung erhält, da sie während der Brückenteilzeit ihre Arbeitszeit um diese Quote reduziere.

Da die Arbeitgeberin zwar bereit war, das beantragte Teilzeitarbeits-Modell durchzuführen, aber nicht bereit war, eine verstetigte Vergütung zu zahlen, strengte die Pilotin ein einstweiliges Verfügungsverfahren an. Dieses hat sie in zweiter Instanz vor dem LAG verloren.

Das LAG führt aus, dass es grundsätzlich möglich sei, im Rahmen einer Teilzeitvereinbarung in Form einer Brückenteilzeit die Arbeitszeit in Form von Blockmodellen zu reduzieren; also auch Phasen zu realisieren, in denen gar nicht gearbeitet werde. Jedoch müsse die Arbeitgeberin sich in diesem Rahmen nicht auf ein verstetigtes Einkommen einlassen. Anders als das BUrlG oder das EntgeltfortzahlungsG sehe § 9a TzBfG gerade keine Regelung für ein Abweichen vom Grundsatz „Geld gegen Arbeit – und ohne Arbeit kein Geld“. Daher müsse eine Arbeitgeberin einem solchen Ansinnen der Beschäftigten nicht nachkommen und die damit verbundenen Mehraufwände in Bezug auf die Entgeltabrechnung in Kauf nehmen. Hierzu könne die Arbeitgeberin nicht verpflichtet werden. Eine entsprechende Umsetzung der Vergütung während einer solchen Teilzeit setze vielmehr ihr Einverständnis voraus, die vorliegend jedoch gerade fehle.

Fazit: Zwar ist zu begrüßen, dass das LAG eine Teilzeit im Blockmodell grundsätzlich als zulässig ansieht. Wenn Arbeitgeberinnen aber in den Freistellungsphasen nicht verpflichtet werden können, das anteilige Entgelt zu zahlen, ist mit diesem Modell nur sehr wenigen geholfen, denn an der Vergütung hängt die Sozialversicherung und damit die soziale Absicherung. Betriebsräte können versuchen, durch entsprechende freiwillige Betriebsvereinbarungen andere Regelungen zu schaffen. Auch die Tarifvertragsparteien können derartige Regelungen vereinbaren. Zwar werden solche Verteilungswünsche der Arbeitszeit selten auftreten, aber gerade für diejenigen, die sich beruflich fortbilden wollen oder die sich mit anderen Familienmitglieder die Care-Arbeit im Rahmen von Kinder- oder Elternbetreuung aufteilen wollen, können solche Modelle helfen.


Zustimmungsverweigerung des Betriebsrat bei angezeigtem Wunsch einer Teilzeitkraft auf Erhöhung der Arbeitszeit

BAG Beschluss vom 01.06.2011, 7 ABR 117/02


Im Betrieb waren mehrere auf Dauer Teilzeitbeschäftigte tätig, die ihrer Arbeitgeberin angezeigt haben, dass sie ihre Arbeitszeit wieder erhöhen möchten. Sie haben somit den Wunsch nach Verlängerung der Arbeitszeit gem. § 9 TzBfG angezeigt. Die Arbeitgeberin schrieb eine Vollzeitstelle aus und beabsichtigte diese extern zu besetzen. Der Betriebsrat verweigerte dieser Einstellung die Zustimmung und berief sich dabei auf § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG. Er begründete dies damit, dass den Teilzeitbeschäftigten, die nach § 9 TzBfG ihren Wunsch nach Arbeitszeiterhöhung mitgeteilt haben, ein Nachteil entstünde. Die Arbeitgeberin argumentierte, dass § 9 TzBfG den Teilzeitbeschäftigten gerade keinen Anspruch auf eine entsprechende Vertragsanpassung gewähre. Daher könne kein Nachteil entstehen.

Dies sah das BAG anders und gab dem Betriebsrat Recht. Zwar räume § 9 TzBfG keinen echten Rechtsanspruch auf eine Arbeitszeiterhöhung ein. Er stelle aber eine Auswahlrichtlinie dar, die die Arbeitgeberin zu beachten habe. Daher könne den betroffenen Teilzeitbeschäftigten ein konkreter Nachteil entstehen, wenn nach diesen Auswahlrichtlinien sie diejenigen sind, die die Stelle einnehmen können. Da die Arbeitgeberin nicht darlegen konnte, dass die Teilzeitbeschäftigten nicht geeignet sind, die Stelle auszuüben und auch sonst keine (dringenden) betriebliche Gründe aufzeigte, war die Zustimmungsverweigerung rechtmäßig, so dass der Betriebsrat Recht bekam.

Fazit: Die Regelung des § 9 TzBfG wird in den Betrieben leider wenig beachtet, viele Teilzeitkräfte kennen diese zudem nicht. Betriebsräte sind daher gut beraten, engen Kontakt zu den Teilzeitbeschäftigten zu halten, um zu erfahren, ob aus ihrem Kreis jemand einen Wunsch auf Erhöhung der Arbeitszeit hat. Sollte ein solcher bestehen, kann auf die Vorschrift hingewiesen werden und darauf hingewirkt werden, dass der Wunsch an die Arbeitgeberin adressiert wird. Sind derartige Wünsche adressiert, sind diese zu beachten. Die Arbeitgeberin muss den Betriebsrat über diese Wünsche informieren, da Arbeitgeber ihren Informationspflichten nicht immer nachkommen, empfiehlt es sich zudem, den Teilzeitkräften zu raten, den Betriebsrat über den geäußerten Wunsch zu informieren. Nur so können Betriebsrat und Teilzeitkräfte zusammenwirken, um die Teilzeit nicht zur Falle werden zu lassen.

Regina Steiner
Silvia Mittländer
Erika Fischer

Fachanwältinnen
für Arbeitsrecht

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