Newsletter April 2024

Sicherung des Beschäftigungsanspruchs eines BR-Mitglieds im Rahmen des Zustimmungsersetzungsverfahrens wegen einer fristlosen Kündigung nach § 103 BetrVG

ArbG Achen, Urteil vom 26.06.2023, 3 Ga 13/23


Die Parteien streiten über die Sicherung des Beschäftigungsanspruchs während des Zustimmungsersetzungsverfahrens nach § 103 BetrVG.

Der Kläger ist als Bereichstechniker Schmelzwanne in einem glasherstellenden Betrieb. Er ist Mitglied des Betriebsrats. Eine Freistellung nach § 38 BetrVG besteht für ihn nicht. Der Kläger wurde sodann von der Arbeitgeberin widerruflich gegen Fortzahlung seiner Vergütung freigestellt. Am Folgetag beantragte die Arbeitgeberin beim Betriebsrat die Zustimmung zu einer außerordentlichen Kündigung und begründete dies mit einem nach ihrer Ansicht vorliegenden systematischen Arbeitszeitbetrug und das Erschleichens eines Vermögensvorteils durch die Erlangung einer Erschwerniszulage während einer Arbeitsunfähigkeit. Der Betriebsrat verweigerte innerhalb einer Drei-Tage-Frist die Zustimmung zu dieser fristlosen Kündigung. Sodann leitete die Arbeitgeberin innerhalb weiterer drei Tage das Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 103 BetrVG beim Arbeitsgericht ein.

Etwa fünf Wochen nach seiner Freistellung erhob der Kläger seinerseits Klage und einen Tag später eine einstweilige Verfügung. Die Klage ist auf die vertragsgemäße Beschäftigung als Bereichstechniker Schmelzwann gerichtet; mit dem einstweiligen Verfügungsverfahren will der Kläger diesen Beschäftigungsanspruch vorläufig bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens nach § 103 BetrVG bzw. seiner BEschäftigungsklage. Dieser vorläufige Sicherungsanspruch der Beschäftigung ist Gegenstand dieses Verfahrens.

Die beklagte Arbeitgeberin lehnt diesen ab und begründet dies damit, dass es ihr aufgrund des behaupteten Arbeitszeitbetrugs nicht zumutbar sei, den Kläger bis zum Abschluss der genannten Hauptsacheverfahren tatsächlich zu beschäftigen. Außerdem habe der Kläger sein Beschäftigungsinteresse nicht hinreichend dargelegt und darüber hinaus erst fünf Wochen nach der Freistellung gerichtlich gewehrt, er habe die Eilbedürftigkeit somit selbst vereitelt.

Beide Argumente überzeugten das Arbeitsgericht nicht und gaben dem klagenden Betriebsratsmitglied Recht. Neben prozessrechtlichen Fragen, die sich insbesondere mit der richtigen Antragsstellung beschäftigen, begründet das Arbeitsgericht seine dem Verfügungsantrag stattgebenden Entscheidung wie folgt:

Der Anspruch auf (vorläufige) Beschäftigung erfolgt aus dem dem Arbeitsverhältnis immanenten allgemeinen Beschäftigungsanspruch, der Ausfluss des in Art. 2 GG geschützten Persönlichkeitsrechts ist. Solange das Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 103 BetrVG laufe, bestehe das Arbeitsverhältnis ungekündigt fort. Die Grundsätze des allgemeinen Beschäftigungsanspruchs gelten somit auch während dieses Verfahrens. Der allgemeine Beschäftigungsanspruch gelte – wie das BAG in seiner grundlegenden Entscheidung aus dem Jahr 1985 bereits ausgeurteilt hat – jedoch nicht absolut, sondern finde seine Einschränkung dort, wo schutzwürdige Interessen der Arbeitgeberin überwiegen. Solche überwiegenden Interessen können der Wegfall der Vertrauensgrundlage oder das unmittelbar bevorstehende Abwandern zur Konkurenz sein. Bei Beurteilung des Vorliegens derartiger überwiegender Interessen des Arbeitgebers gegenüber Betriebsratsmitgliedern ist jedoch zu der besondere Schutz des Betriebsrats und seiner Funktionsfähigkeit zu beachten. Daher könne der Beschäftigungsanspruch eines Betriebsratsmitglieds nur dann suspendiert sein, wenn die Weiterbeschäftigung erhebliche Gefahren für den Betrieb oder die dort tätigen Arbeitnehmer:innen darstelle. Es müssen in der Rege also Umstände hinzukommen, die über den wichtigen Grund, der die beabsichtigte fristlose Kündigung rechtfertigen soll, hinausgehen.

Genau das sieht das Arbeitsgericht vorliegend nicht. Der vorgeworfene Arbeitszeitbetrug betreffe allein die Vermögensinteressen der Arbeitgeberin. Diese können im Zweifel im Wege eines Schadensersatzanspruchs ausgeglichen werden. Außerdem hätte die Arbeitgeberin organisatorische Vorkehrungen zur Verhinderung eines solchen, möglichen Betrugs treffen können, in dem sie beispielsweise regelmäßige Prüfungen vornehme. Der vorgeworfenen Arbeitszeitbetrug stelle somit kein hinzukommender Umstand dar. Auch könne aus dem unterstellten Arbeitszeitbetrug nicht automatisch auf eine Unzuverlässigkeit des Betriebsratsmitglieds bei Ausübung seiner arbeitsvertraglichen Tätigkeit geschlossen werden. Die Tätigkeiten an der Schmelzwanne sind technische und sicherheitsrelevante. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger diese fehlerhaft ausführe, hat die Arbeitgeberin nicht vorgetragen, so dass eine Gefahr für den Betrieb oder dort Beschäftigte nicht erkennbar sei. Insgesamt liege also kein überwiegendes Interesse der Arbeitgeberin vor, den Beschäftigungsanspruch des Klägers und Betriebsratsmitglieds zu suspendieren.

Auch das Argument, der Kläger habe zu lange zugewartet, um seinen Anspruch klageweise geltend zu machen, wies das Arbeitsgericht zurück. Vorliegend sei abzustellen auf den Zeitpunkt der Einreichung der Antragsschrift der Arbeitgeberin zur Zustimmungsersetzung nach § 103 BetrVG, da erst zu diesem Zeitpunkt klar war, dass sie tatsächlich an der Beendiugng und damit der Nichtbeschäftigung des Klägers festhalte. Lege man diesen Zeitpunkt zugrunde, seien vier Wochen vergangen. Dies sei auch noch eine lange Zeit, aber wohl noch akzeptabel, um die Eilbedürftigkeit nicht selbst durch Nichts- oder Zuspättun zu vereiteln.

Fazit:

Betroffene Betriebsratskollegen sollten in derartigen Fällen ihren Beschäftigungsanspruch tatsächlich durchzusetzen. Das stärkt nicht nur ihre eigene Position, sondern auch die des Betriebsrats. Die Entscheidung berücksichtigt zu Recht, den besonderen Kündigungsschutz, der aus dem Mandat erwächst, auch im Beschäftigungsanspruch. Allerdings sollte nicht zu lange gewartet werden. Manche Arbeitsgerichte sind bei der Beurteilung der Dauer des Zuwartens nicht so offen wie das Arbeitsgericht Aachen in der vorliegenden Entscheidung.



Keine Regressforderung des Arbeitgebers gegenüber einem Betriebsratsmitglied, wenn er einen Kostenfreistellungsanspruch gegenüber einem Dritten erfüllt

BAG Urteil vom 25.10.2023, 7 AZR 338/22


Die Parteien streiten über die Zahlung von einbehaltenen Entgeltansprüchen eines Betriebsratsmitglieds. Der Betriebsrat hatte im Oktober 2019 beschlossen, sein Mitglied, das nunmehr der Kläger ist, zu zwei Betriebsratsschulungen zu entsenden. Die Arbeitgeberin widersprach dem und erklärte „keine Genehmigung zur Teilnahme an den Seminaren“ zu geben. Das Betriebsratsmitglied schaltete sodann einen Fachanwalt für Arbeitsrecht zur Durchsetzung der Schulungsteilnahme ein, der wiederum seine Tätigkeit mit einem Nettobetrag von knapp 415,00 € in Rechnung stellte. Die Arbeitgeberin glich diese Kostenrechnung gegenüber dem Rechtsanwalt mit dem Hinweis „Vorschuss Fachanwalt Arbeitsrecht“ aus, behielt jedoch mit der folgenden Entgeltabrechnung den Betrag vom Nettoentgelt des Betriebsratsmitglieds ein. Dieser verlangte dieses einbehaltene Entgelt klageweise ein und bekam nun vom BAG Recht.

Das BAG stützt den Zahlungsanspruch unmittelbar aus § 611a Abs. 2 BGB, also dem arbeitsvertraglichen Vergütungsanspruch. Es wies die von der Arbeitgeberin geltendgemachte und durch den Entgelteinbehalt durchgeführte Aufrechnung mit den Rechtsanwaltskosten zurück. Zwar seien der Ausgleich der Kostenrechnung und die Entgeltzahlungsanspruch beides Geldforderungen, somit seien beide Ansprüche auf gleichartige Forderungen gestützt. Dennoch könne die Arbeitgeberin die Aufrechnung nicht erklären. Selbst wenn man unterstellen sollte, dass die Arbeitgeberin mit Fremdtilgungswille gehandelt habe (also nicht eine eigene Schuld, sondern die des Klägers tilgen wollte), so könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Rechtsanwaltskanzlei davon ausging, dass die Zahlung zum Ausgleich der Schuld des Betriebsratsmitglieds erfolgt. Denn vorliegend sei ja gerade streitig, ob die Rechtsanwaltsrechnung nach § 40 BetrVG erforderlich sei. Die Voraussetzungen einer so genannten Geschäftsführung ohne Auftrag lägen somit nicht vor. Aber selbst wenn man diese unterstellen wollte, dürfe die Arbeitgeberin die Aufrechnung nicht erklären. Würde man nämlich eine solche Möglichkeit eröffnen, so würde man den Kläger – also das Betriebsratsmitglied – in eine prozessual schlechtere und damit für ihn nachteilige Situation drängen. Denn die Kostentragungspflicht nach § 40 BetrVG ist abschließend und damit verbindlich gesetzlich geregelt. Dies schließt gleichfalls ein, dass Streitigkeiten um solche Pflichten im Beschlussverfahren und nicht im individualrechtlichen Urteilsverfahren zu führen sind. Das Beschlussverfahren hat anderen Verfahrensvoraussetzungen, die sich vorallem in der Darlegungs- und Beweislast unterscheidne. Auch ist das Beschlussverfahren kostenfrei und die Kosten des Betriebsrats bzw. seiner beteiligten Mitglieder sind vom Arbeitgeber zu tragen. Hält eine Arbeitgeberin vom Betriebsrat oder eines seiner Mitglieder ausgelöste Kosten nicht für erforderlich, so müsse dieser Streit im Beschlussverfahren ausgefochten werden und dürfe nicht über den Umweg des Einbehalts von Entgelt und der Aufrechnung in das Urteilsverfahren geschoben werden.

Fazit: Die Entscheidung ist konsequent und führt die bisherige Rechtsprechung zu Kostenfreistellungsansprüchen fort. Die Entscheidung sagt aber nichts darüber, ob die streitauslösenden Rechtsanwaltsrechnung tatsächlich erforderlich war. Dies hätte in einem Beschlussverfahren geklärt werden müssen.


Kein Unterlassensanspruch des Betriebsrats auf Entgelteinbehalt seiner Mitglieder bei Sitzungsteilnahme

LAG Köln, Beschluss vom 20.01.2023, 9 TaBV 33/22


Die Arbeitgeberin ist ein bundesweit tätiges Textilunternehmen; der Betriebsrat vertritt die Beschäftigten einer Filiale. Der Betriebsrat führte einige seiner Sitzungen als Videokonferenz durch, bei denen einige Mitglieder vor Ort teilnahmen, andere per Video zugeschaltet waren. Die Arbeitgeberin zahlte denjenigen Mitgliedern, die online zugeschaltet waren, das Entgelt für die Dauer der Betriebsratssitzung nicht.

Der Betriebsrat hat dann ein arbeitsgerichtliches Beschlussverfahren eingeleitet und beatragt, der Arbeitgeberin aufzugeben, es zu unterlassen, den Betriebsratsmitgliedern für Zeiten, in denen sie online an Betriebsratssitzungen teilnehmen, kein Entgelt zu zahlen und dies damit begründet, dass im Einbehalt des Entgelts eine Behinderung der Betriebsratsarbeit zu sehen ist. Das LAG hat den Antrag jedoch zurückgewiesen. Es führt zunächst aus, dass der Einbehalt von Entgelt für Zeiten der Durchführung von Betriebsratstätigkeiten eine Behinderung der Betriebsratsarbeit darstellen könne. Vorliegend sei das Ziel des Betriebsrats aber erkennbar nicht auf eine Unterlassenshandlung gerichtet, sondern vielmehr darauf gerichtet, dass die Arbeitgeberin zukünftig ihrer Vergütungspflicht gegenüber den einzelnen Betriebsratsmitgliedern nachkomme. Er wolle damit kein Unterlassen, sondern vielmehr ein aktives Handeln – nämlich die Vergütungspflicht zu erfüllen – erreichen. Ein solches aktive Handeln könne aber nur auf die Beseitigung eines fortwährenden rechtswidrigen Zustands gerichtet sein. Der Betriebsrat habe aber gerade keinen Ausgleich bzw. Zahlung aussstehender Vergütung für vergangene Sitzungen eingefordert. Sein Ziel, die Zahlungspflicht zukünftig sicherzustellen, könne mit diesem Unterlassensanspruch somit nicht erreicht werden.

Fazit: In solchen Fallkonstellationen kann der Unterlassensanspruch nur schwer die durch die nichtbezahlten Entgelte für die Sitzungen eingetretene Behinderung der Betriebsratsarbeit beseitigen. Ob der Betriebsrat diese Entgelte für seine Mitglieder im Beschlussverfahren gestützt auf § 78 BetrVG einfordern kann, ist höchst fraglich, denn es handelt sich – wie die Vorinstanz ausgeführt hatte – um Ansprüche nach § 37 Abs. 2 BetrVG, also Entgeltansprüche, die höchstpersönliche Ansprüche der einzelnen Mitglieder, die nach derzeitiger herrschenden Ansicht in Rechtsprechung und Literatur von jedem einzelnen Mitglied gelten gemacht werden muss und dann wohl im Urteilsverfahren. Das BAG wird die Chance haben, dies nun neu zu bewerten, denn die Rechtsbeschwerde ist zugelassen und wird geführt.



Mitbestimmung bei Einführung von ChatGPT über privat eingerichtete Accounts via Webbrowser

Arbeitsgericht Hamburg, Beschlus vom 16.01.202, 24 BV 1/24


Die Arbeitgeberin ist ein Unternehmen, das Medizintechnik entwickelt und Teil eines weltweitagierenden Konzerns. In Deutschland ist ein Konzernbetriebsrat gebildet. Die Arbeitgeberin erklärte, sie wolle KI-Anwendungen als neues Werkzeug nutzen, um die eigene Arbeit zu unterstützen. Sie erlaubt daher ihren Beschäftigten die Nutzung von KI-Instrumenten wie ChatGPT von OpenAI oder ähnlichen Tools. Die KI-Tools sind jedoch nicht auf ihren Servern aufgelegt. Vielmehr erlaubt die Arbeitgeberin den Beschäftigten die Nutzung solcher Tools in der Form, dass diese jeweils bei den Anbietern einen privaten Account anlegen müssen, den diese dann über den firmeninern zugelassenen Browser nutzen können. Sofern Kosten für die Nutzung entstehen, müssen diese von den Beschäftigten getragen werden; die Arbeitgeberin beteiligt sich hieran nicht. Dies und auch weitere Nutzungsregelungen hat die Arbeitgeberin in einseitig festgelegten Richtlinien und einem Handbuch (genannt AI Manua) festgeschrieben. Wer welches Tool wofür und wie lange einsetzt, ist der Arbeitgeberin nach den Feststellungen des Arbeitsgerichts nicht bekannt.

Da die Arbeitgeberin die Richtlinien einseitig ohne Information und ohne Zustimmung des Konzernbetriebsrats veröffentlicht hat, hat er ein einstweiliges Verfügungsverfahren vor dem Arbeitsgericht und beantragt, der Arbeitgeberin aufzugeben, den Zugriff auf ChatGPT und anderer generativer KI-Tools zu sperren sowie die hierzu im Intranet veröffentlichten Richtlinien zu entfernen, solange bis eine Konzernbetriebsvereinbarung zur Nutzung derartiger KI-Tools vereinbart sind. Er begründet dies damit, dass durch die einseitige Zulassung der Tools seine Mitbestimmungsrechte aus § 87 Abs. 1 Nr. 1, 6 und 7 BetrVG verletzt seien.

Dem folgte das Arbeitsgericht nicht und wies den Antrag vollumfänglich ab. Ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG sei nicht gegeben. Die Richtlinien zur Nutzung der Ki-Tools betreffen nicht das Ordnungsverhalten der Beschäftigten, sondern vielmehr das mitbestimmungsfreie Arbeitsverhalten. Denn die Tools stellen lediglich ein neues Werkzeug, als ein neues Arbeitsmittel dar. Die Entscheidung darüber, ob, in welchem Umfang und nach welchen Regelungen die Nutzung erfolgen solle, betreffe somit allein die Arbeitsleistung und deren Konkretisierung; damit sei allein das mitbestimmungsfreie Direktionsrecht betroffen, nicht aber ein mitbestimmungspflichtiges Ordnungsverhalten. Ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG verneint das Arbeitsgericht, weil die Arbeitgeberin keinerlei Informationen und Daten darüber habe bzw. erlangen könne, wer, zu welchem Zweck und wie lange ein KI-Tool genutzt habe. Auf die privaten Accounts der Beschäftigten könne die Arbeitgeberin nicht zugreifen, da dies technisch ausgeschlossen sei. Ein Kontrolle des Verhaltens und der Leistung scheide damit aus. Schließlich sei ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG nicht gegeben, weil ausschließlich und pauschal vorgetragen wurde, dass die Nutzung von generativen KI-Tools zu psychischen Belastungen führen könne, eine Darlegung einer konkreten Gefährdung der psychischen Gesundheit durch Nutzung von KI-Tools sei nicht dargelegt. Es geben hierzu keine allgemein gültigen arbeitswissenschaftliche Befunde noch sei eine Gefährdungsananlyse durchgeführt bzw. vorgelegt worden. Im Ergebnis sei vorliegend unter keinem Gesichtspunkt die Verletzung eines Mitbestimmungsrechts erkennbar.

Fazit:

Wichtig ist zunächst die Besonderheit im vorliegenden Fall zu sehen, nämlich, dass die Arbeitgeberin zwar die Nutzung von KI-Tools erlaubt, hierfür aber keine eigenen Mittel zur Verfügung stellt, mit Ausnahme der Nutzung des firmeneigenen Browsers, um auf die externen Tools zugreifen zu können. Fraglich bleibt im vorliegenden Fall, ob die Arbeitgeberin tatsächlich keinerlei Informationen über die Nutzung derartiger Tools erlangt, denn der oder die Internetbrowser, die sie einsetzt, wird sicher Daten über die angesteuerten Internetseiten aufzeichnen. Über derartige Daten ist ein Nutzungsverhalten jedenfalls mittelbar erkennbar. Da dies aber im Verfahren nicht vorgetragen wurde, konnte das Arbeitsgericht davon ausgehen, dass eine Verhaltenskontrolle nicht möglich ist.

Wichtig ist aber vorallem, dass sobald Arbeitgeber eigene Tools zur Verfügung stellen oder aber über firmeneigene Accounts die Nutzung derartiger Tools ermöglichen oder erwarten, wird mindestens ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG gegeben sein. Denkbar ist auch ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG, denn der Einsatz derartiger Tools verändert bisher bekannter Arbeitsweisen, so dass das Erlernen des Umgangs, aber auch der Einsatz selbst mit geänderten psychischen Belastungen einhergehen kann. Solange noch keine gesicherten arbeitsmedizinischen Kenntnisse über den Umgang und Einsatz derartiger Tools vorliegen, wird es aber notwendig sein, über die Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen derartige psychischen Belastungen nachzuweisen. Betriebsräte sollten hierauf achten. Je nach Art und Weise der zugelassenen bzw. vielmehr abgeforderten Nutzung solcher Tools kann auch ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs.1 Nr. 1 BetrVG gegeben sein, etwa wenn die Arbeitgeberin Dokumentationspflichten zur Nutzung oder Kennzeichnungspflichten in Bezug auf Arbeitsergebnisse verlangt.

Regina Steiner
Silvia Mittländer
Erika Fischer

Fachanwältinnen
für Arbeitsrecht

Große Friedberger Straße 42
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