Newsletter März 2023



Das Kündigungsverbot für eine schwangere Person beginnt 280 Tage vor dem voraussichtlichen Entbindungstermin

BAG vom 24.11.2022 - 2 AZR 11/22


Eine Beschäftigte erhielt eine Kündigung und wusste zum Zeitpunkt der Kündigung noch nicht, ob sie schwanger ist. Als die ärztliche Bestätigung vorlag, teilte sie dem Arbeitgeber die Schwangerschaft unverzüglich mit. Wenn die Schwangerschaft nach Ausspruch der Kündigung mitgeteilt wird, genießt die Schwangere dennoch den Kündigungsschutz, wenn die Mitteilung über die Schwangerschaft innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt wird. Weiß die Schwangere erst nach diesen zwei Wochen von der Schwangerschaft und trägt die Schwangere an dem "Nichtwissen" keine Schuld, kann die Mitteilung immer noch unverzüglich nachgeholt werden. Obwohl sich die Beschäftigte an diese Vorgaben gehalten hat, wollte der Arbeitgeber den Kündigungsschutz nicht anerkennen.

Sein Argument war, dass eine Schwangerschaft nur durchschnittlich 266 Tage dauert. Wenn man diesen Zeitraum zu Grunde legt, war die Beschäftigte beim Zugang der Kündigung noch nicht schwanger.

Das LAG Baden-Württemberg schloss sich der Meinung des Arbeitgebers an. Das LAG stellte sich damit gegen die ständige Rechtsprechung des BAG, das nicht die durchschnittliche Schwangerschaftsdauer zu Grunde legt, sondern die mittlere Dauer einer Schwangerschaft von 280 Tagen. Das LAG spricht von einer Fiktion, da die meisten Frauen nicht 280 Tage schwanger seien. Das BAG (2 AZR 11/22) erteilte der Rechtsauffassung des LAG eine Abfuhr. Zwar kennt das Recht keine Bestimmung des Begriffs Schwangerschaft. Aber der werdenden Mutter soll in jedem Fall der Schutz des Mutterschutzgesetzes zugutekommen, auch wenn der Entbindungstermin vom vorausberechneten abweicht. Nach der Mutterschutzrichtlinie der EU soll durch das Kündigungsverbot erreicht werden, dass die Schwangere vor physischem und psychischem Stress durch eine Kündigung bewahrt werden soll. Deshalb legt das BAG weiterhin einen Zeitraum von 280 Tagen für eine Schwangerschaft zu Grunde, denn es ist von einem frühestmöglichen Zeitpunkt der Schwangerschaft auszugehen. Es ist nicht hinzunehmen, dass die Schwangerschaft mit einer durchschnittlichen Dauer berechnet wird. Denn damit würde werdenden Mütter, die bereits vor diesem Zeitpunkt schwanger werden der Schutz zu Beginn der Schwangerschaft entzogen. Das BAG hält deshalb zu Recht an dem umfassenden Schutz von schwangeren Beschäftigten fest und änderte seine Rechtsprechung nicht.


Eine Frau hat Anspruch auf gleiches Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeit, wenn der Arbeitgeber aufgrund des Geschlechts Männer besser bezahlt

BAG 16.02.2023 - 8 AZR 450/21


Eine Beschäftigte erhielt im Außendienst ein Entgelt von 3.500,00 € monatlich.

Ab dem 1.8.2018 galt ein Haustarifvertrag, der ein Entgelt von 4.140,00 € vorsah. Um diese Summe zu erreichen, sollte das Entgelt jährlich um 120,00 € ansteigen bis der Tariflohn erreicht war.

Nur drei Monate vor der Beschäftigten war ein männlicher Kollege eingestellt worden. Er lehnte eine Bezahlung von nur 3.500,00 € ab und verlangte 4.500,00 €. Der Arbeitgeber erfüllte die Forderung. Ein weiterer Kollege erhielt 4.000 € monatlich. Die Begründung des Arbeitgebers war hier, dass er einen ausgeschiedenen Kollegen ersetzen würde, der besser vergütet gewesen sei.

Die benachteiligte Kollegin forderte rückwirkend 1.000 € monatlich mehr Entgelt und eine angemessene Entschädigung für die geschlechtsdiskriminierende Benachteiligung.

Das BAG entschied, dass der Beschäftigten das Entgelt nachzuzahlen ist. Sie erhielt für die gleiche Arbeit ein wesentlich niedrigeres Gehalt als ihre männlichen Kollegen. Der Arbeitgeber konnte dafür keinen sachlichen Grund anführen. Das BAG akzeptiert nicht, dass das höhere Gehalt des einen Kollegen auf seinem guten Verhandlungsgeschick basierte. Das rechtfertige nicht eine Ungleichbehandlung. Das Entgelt des zweiten männlichen Kollegen beruhe ebenfalls nicht auf einem sachlichen Grund. Denn das Entgelt des Vorgängers spiele keine Rolle für die Entgeltfindung bei einer Neueinstellung.

Das Urteil ist sehr zu begrüßen, denn von nun an kann eine Entgeltungleichheit zwischen den Geschlechtern nicht mehr mit besserem Verhandlungsgeschick gerechtfertigt werden.

Allerdings hat das BAG der Beschäftigten nur ein Schadensersatz von 2,000,00 € zugesprochen. Und damit einmal mehr dokumentiert, dass diskriminierende Handlungen in Deutschland doch eher als "Kavaliersdelikte" zu werten sind. Die Persönlichkeitsverletzung der diskriminierten Person wird noch immer nicht als besonders schwerwiegend gewertet.


Die Aufhebung einer personellen Maßnahme muss der Beseitigung eines betriebsverfassungswidrigen Zustandes dienen

BAG 15.11.2022 - 1 ABR 15/21


Ein Arbeitnehmer wurde in einen anderen Bereich versetzt. Der Betriebsrat wurde nicht angehört. In der Folgezeit wurde dieser Bereich ausgegliedert und einem anderen Unternehmen eingegliedert.

Der Betriebsrat war der Meinung, dass er trotz der Ausgliederung des Bereichs verlangen könne, dass die Maßnahme aufgehoben wird. Denn der betroffenen Arbeitnehmer gehöre immer noch zum Betrieb. Wäre er nicht versetzt worden, hätte er im Wege der Ausgliederung nicht den Betrieb verlassen.

Dieser Auffassung folgt das BAG nicht. Ziel eines Verfahrens nach § 101 BetrVG (Aufhebung der Versetzung) ist, eine betriebsverfassungswidrige Maßnahme für die Zukunft zu beseitigen. Denn mit Rechtskraft der Entscheidung muss der Arbeitnehmer "zurückversetzt" werden.

Durch die Ausgliederung ist aber laut BAG der betriebsverfassungsrechtliche Zustand bereits beseitigt worden. Denn der Bereich, dem der Versetzte angehört, zählt nicht mehr zu dem Unternehmen für den der Betriebsrat zuständig ist.

Ein hinzunehmende aber wenig überzeugende Entscheidung des BAG.

Regina Steiner
Silvia Mittländer
Erika Fischer

Fachanwältinnen
für Arbeitsrecht

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