Newsletter Februar 2023

Betriebsverfassungsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz – Höchstbetragsregelung in einem Sozialplan

BAG, Urteil vom 08.02.2022 – 1 AZR 252/21


Die Parteien streiten über die Höhe einer Sozialplanabfindung. Der Kläger war vom 01.08.1994 bis 31.07.2019 bei der Beklagten beschäftigt. Er erhielt zuletzt ein monatliches Arbeitsentgelt i.H.v. 7.795,49 € brutto. Die Beklagte legte den Betrieb Ende Februar 2019 still. Der – auf dem Spruch einer Einigungsstelle beruhende – Sozialplan bestimmte u.a. eine Grundabfindung (Bruttomonatsentgelt X Betriebszugehörigkeit X 1,45 =Abfindung brutto) und Zusatzbeträge für unterhaltsberechtigte Kinder (2.500,00 € pro Kind). Die Grundabfindung war auf 230.000,00 € begrenzt.

Die Beklagte zahlte an den Kläger eine Abfindung i.H.v. 238.000,00 €. Diese setzte sich aus der Grundabfindung i.H.v. 230.000,00 €, einem Zusatzbetrag i.H.v. 5.000,00 € für zwei Kinder und einer Zahlung i.H.v. 3.000,00 € aus einem Härtefonds zusammen.

Der Kläger vertrat die Auffassung ihm stehe eine weitere Abfindung in Höhe von 52.741,63 € zu. Die Regelung über den Abfindungshöchstbetrag sei unwirksam. Sie bewirke eine mittelbare Benachteiligung älterer Arbeitnehmer wegen des Alters nach § 3 Abs. 2 AGG. Die Deckelung sei nicht zum Ausgleich einer möglichen Benachteiligung jüngerer Beschäftigter gerechtfertigt, weil sie keine Verteilungsgerechtigkeit herstelle.

Das LAG hat die Klage zurückgewiesen. Das BAG hat sich der Auffassung angeschlossen. Die Höchstbetragsregelung ist wirksam. Sie verstößt nicht gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz des § 75 Abs. 1 BetrVG. Die Regelung enthält keine unmittelbare Benachteiligung, da sie nicht an das Alter anknüpft. Die dem Anschein nach neutrale Regelung kann jedoch ältere Arbeitnehmer in besonderer Weise benachteiligen. Dennoch führt dies nicht zu einer mittelbaren Benachteiligung wegen des Alters. Eine mittelbare Benachteiligung wegen des Alters ist jedoch deshalb nicht gegeben, weil die Begrenzung der Sozialplanabfindung durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt ist und die Mittel zu dessen Erreichung geeignet, erforderlich und angemessen sind. Mit der Festlegung einer Höchstabfindung soll ersichtlich dem Umstand Rechnung getragen werden, dass die für den Sozialplan zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel limitiert sind. Da die Abfindung für ältere Arbeitnehmer, die nicht unter die Kappungsgrenze fallen, aufgrund ihrer regelmäßig längeren Betriebszugehörigkeit typischerweise besonders hoch ausfallen, bezweckt die Regelung, Verteilungsgerechtigkeit herzustellen. Vor dem Hintergrund begrenzter Sozialplanmittel soll möglichst allen vom Arbeitsplatzverlust betroffenen Arbeitnehmern eine verteilungsgerechte Überbrückungshilfe gewährt werden. Es ist für die Erreichung des Ziels geeignet, erforderlich und angemessen.


Auswertung von Testfragen signalisiert Sicherheitsbedenken

LAG Frankfurt 25.02.2021 – 17 Sa 1435/19


Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung. Die Klägerin ist Flugbegleiterin, die Beklagte ist ein Luftfahrtunternehmen.

Im Rahmen des Luftsicherheitsprogramms der Beklagten durchlaufen Bewerber zur Minimierung des Risikos einer Gefahr durch sog. Innentäter ein Testverfahren. Ziel dieses Testverfahrens ist es, das Potential zur Radikalisierung zu ermitteln. Es sollen Aggravationstendenzen („absichtliches Verstellen“) erkannt werden. Bei dem seit dem Jahr 2017 genutzten ITR-Test handelt es sich um ein IT-gestütztes Testverfahren mit ca. 200 Fragen zur Selbsteinschätzung. Das Ergebnis wird automatisch durch einen von der Beklagten beauftragten Provider ausgewertet und mittels eines Ampelsystems angezeigt. Aufgrund eines internen Fehlers wurde das Testverfahren für Einstellungen nicht bereits vor Abschluss des Bewerbungsverfahrens der Klägerin durchgeführt. Die Beklagte und die Gruppenvertretung Kabine vereinbarten, dass dies nachgeholt wird.

Bei der Klägerin wurde am 11.03.2019 der Test durchgeführt und sie wurde am nächsten Tag informiert, dass sie den Test nicht bestanden hat. Mit Schreiben vom 18.03.2019 hörte die Beklagte die Gruppenvertretung Kabine zur beabsichtigten außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung der Klägerin an. Der Personalausschuss der Personalvertretung teilte der Beklagten mit Schreiben vom selben Tag mit, dass er beschlossen habe, Bedenken gegen die beabsichtigte außerordentliche Kündigung zu äußern und der beabsichtigten ordentlichen Kündigung zu widersprechen. Mit Schreiben vom 24.04.2019 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Klägerin ordentlich. Gegen diese Kündigung hat die Klägerin sich gewandt. Sie hat das Vorliegen von Kündigungsgründen und die ordnungsgemäße Anhörung der Gruppenvertretung bestritten.

Die Beklagte behauptet, das Testergebnis der Klägerin hat eine rote Ampel gezeigt. Damit sei eine von der Klägerin ausgehende konkrete, potentielle Gefahr für die Sicherheit festgestellt worden, aufgrund derer eine weitere Beschäftigung der Klägerin unmöglich sei. Auch die Anhörung der Personalvertretung sei korrekt. Dieser sei der von der Klägerin ausgeführte Test nicht vorzulegen gewesen. Eine Vorlage sei der Beklagten auch nicht möglich, da ihr nur das Testergebnis übermittelt worden sei. Die Beklagte behauptet, dass es sich um einen zuverlässigen Provider handelt. Das unter Einsatz von psychologischen Experten zur Erkennung von Gewalt und Radikalisierungspotential entwickelte Testverfahren sei dazu geeignet das Risiko einer von einem Beschäftigten ausgehenden Gefahr zu erkennen. Die Beklagte könne aus Sicherheitsbedenken das Ergebnis nicht ignorieren, sondern müsse handeln. Die Testung sei Teil ihres Sicherheitsprogramms, welches auch die Erteilung der Betriebserlaubnis stütze.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg. Die ordentliche Kündigung ist sozial nicht gerechtfertigt, da keine personenbedingten Gründe vorliegen, die die Kündigung rechtfertigen könnten. Sicherheitsbedenken können die persönliche Nichteignung nicht begründen. Vielmehr muss der Arbeitgeber nachprüfbare Tatsachen vortragen, dass von der Klägerin eine Gefährdung ausgehe. Dazu hätte die Beklagte zumindest die Fragen und die Antworten der Klägerin in den Prozess einbringen müssen und warum die Antworten den Schluss zulassen, dass von der Klägerin eine konkrete Gefahr ausgehe.

Fazit: Den Ausführungen des LAG ist vollumfänglich zuzustimmen. Von einem Kündigungsschutz könnte nicht mehr gesprochen werden, wenn allein die Behauptung genügt, es liege ein Sicherheitsrisiko vor.



Laptop und Beamer für die Betriebsratsarbeit

LAG Köln, Beschluss vom 24.06.2022 – 9 TaBV 52/21


Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung der Arbeitgeberin, dem Betriebsrat einen Laptop und einen Beamer zur Verfügung zu stellen. Bei der Arbeitgeberin handelt es sich um ein Textilhandelsunternehmen. Der antragstellende Betriebsrat ist für eine Filiale mit ca. 110 Arbeitnehmern gebildet. Der Betriebsrat besteht aus 7 Mitgliedern. In seinem Betriebsratsbüro befindet sich ein stationärer PC mit Internetanschluss, aber ohne Kamera, ein Multifunktionsgerät mit Drucker, Fax und Scanner sowie ein Festnetztelefon. Anfang Juni 2021 beschloss der Betriebsrat eine Geschäftsordnung zur Betriebsratssitzung via Video-/Telefonkonferenz. Von der Arbeitgeberin wollte er die Zurverfügungstellung eines Laptops und eines Beamers unter Nennung der Marke und des Modells.

Das Arbeitsgericht gab dem Antrag des Betriebsrats statt, wobei aber lediglich die technischen Kennzahlen und Ausstattungsmerkmale beschrieben wurden, die der Laptop aufweisen muss. Der Betriebsrat hat regelmäßig keinen Anspruch auf eine bestimmte Marke oder ein bestimmtes Modell. Dem folgte das LAG Köln, wobei es auch nochmals darauf hinwies, dass der Betriebsrat kein bestimmtes Modell oder eine bestimmte Marke fordern könne. Dem Antrag des Betriebsrats sei nur deshalb stattzugeben, weil es sich der Entscheidung des Arbeitsgerichts anschloss und von einer konkreten Forderung eines bestimmten Modells Abstand nahm. Die vom Arbeitsgericht festgelegten Anforderungen (Betriebssystem: Windows 10 Pro 64-Bit-Version-deutsch, integrierte Kamera sowie Audiosystem, Tastatur Layout Deutsch, Multitouchpad, Akku mit Laufzeit mindestens 5 Stunden, LAN-Funktion, mindestens zwei USB-Schnittstellen, Eingang Wechselstrom 129/230V (50/60 HZ) mit Stromladekabel) entspräche auch der Standartausstattung.

Dem Antrag auf Zurverfügungstellung eines Beamers wurde nicht stattgegeben, weil der Betriebsrat auch in der 2. Instanz den Antrag auf Zurverfügungstellung eines konkreten Typs forderte. Ein solcher Anspruch besteht aber regelmäßig nicht, weshalb dieser Antrag zurückgewiesen wurde.

Fazit:

Die Entscheidung bestätigt die bisherige Rechtsprechung für die Zurverfügungstellung von Laptop und Beamer. Siehe auch die Entscheidung des LAG Frankfurt vom 14.03.2022 – 16 TaBV 143/21 (siehe Newsletter Juli 2022). In dieser Entscheidung wurde allen Betriebsratsmitgliedern ein Laptop zugesprochen, damit der Betriebsrat Betriebsratssitzungen per Videokonferenz durchführen kann.

Der Anspruch des Betriebsrats kann nicht mit der pauschalen Begründung zurückgewiesen werden, die Betriebsrat müsse seine Betriebsratstätigkeit an der Betriebsstätte des Arbeitgebers erbringen. Lediglich bei den Anträgen ist Vorsicht walten zu lassen. Der Arbeitgeber kann regelmäßig entscheiden, welche Marke und welches Modell er dem Betriebsrat überlässt, wenn nur die geforderten Merkmale eingehalten sind.

Regina Steiner
Silvia Mittländer
Erika Fischer

Fachanwältinnen
für Arbeitsrecht

Große Friedberger Straße 42
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