Newsletter November 2023

Wahlwerbung durch Amtsinhaber auf offiziellem Briefkopf ist unzulässig

ArbG Hannover, Beschluss vom 04.07.2023, 12 BV 6/23


Die Parteien streiten über die Anfechtbarkeit bzw. Nichtigkeit der Wahl der Hauptschwerbehindertenvertretung.

Im Rahmen der Wahl einer Hauptschwerbehindertenvertretung in der Landesverwaltung stellten sich neben der bisherigen Amtsinhaberin mehrere weitere Kandidaten zur Wahl. Im Vorfeld der Wahl versandten mehrere Kandidaten zum Zwecke der Wahlwerbung per E-Mail Schreiben an die Wahlberechtigten. Die Amtsinhaberin tat dies ebenfalls und verwies auf ihre Erfahrungen und Erfolge. Für das Schreiben nutze sie den amtlichen Briefkopf der Schwerbehindertenvertretung mit dem Wappen des Landes. Der Briefkopf wurde sonst nur selten, dann aber für offizielle Informationsschreiben der Schwerbehindertenvertretung genutzt. Die bisherige Amtsinhaberin gewann die Wahl.

Die Antragsteller sind der Ansicht, dass die Wahl ungültig ist. Die Schwerbehindertenvertretung habe gegen die Chancengleicheit verstoßen, indem sie ihr Amt benutzt habe um gezielt Wahlwerbung für ihre Person zu machen. Darüber hinaus stelle die Verwendung des amtlichen Briefkopfs mit dem Wappen einen unzulässigen Rückgriff auf die mit ihrem Amt verbundenen Mittel und Möglichkeiten dar.

Die Amtsinhaberin vertritt die Auffassung, sie habe keine unzulässige Wahlwerbung betrieben. Die Nutzung des Briefkopfs mit dem Wappen führe nicht zu einem Verstoß gegen die Chancengleichheit. Der Inhalt des Schreibens auf neutralem Papier hätte denselben Effekt gehabt. Den Wählern sei die Amtsinhaberin aufgrund ihrer langen Tätigkeit auch ohne die Nutzung des Wappens bekannt gewesen.

Das Arbeitsgericht hat dem Anfechtungsantrag stattgegeben und die Wahl für ungültig erklärt. Die Wahl sei zwar nicht nichtig, jedoch anfechtbar, da gegen den Grundsatz der Chancenfreiheit verstoßen wurde und damit ein tragendes Grundprinzip der Wahl verletzt worden sei. Nach dem ungeschriebenen Grundsatz der Chancengleichheit soll jeder Wahlbewerber die gleichen Möglichkeiten im Wahlkampf und im Wahlverfahren haben und damit die gleiche Chance im Wettbewerb um Wählerstimmen. Hierbei handelt es sich um ein notwendiges Element einer demokratischen Wahl und damit um eine wesentliche Verfahrensvorschrift.

Im Betriebsverfassungsrecht hat dieser Wahlgrundsatz Ausdruck in § 20 Abs. 1 und 2 BetrVG gefunden, der gemäß § 177 Abs. 6 Satz 2 SGB IX auch für die Wahl der Schwerbehindertenvertetung zur Anwendung kommt. Der Verstoß rührt nicht aus dem Inhalt des Bewerbungsschreibens, in dem auf die bisherige Amtsinhaberschaft verwiesen wurde, vielmehr weil die Amtsinhaberin in ihrem Wahlbewerbungssschreiben inhaltlich Äußerungen in ihrer Funktion als Hauptschwerbehindertenvertretung unter Verwendung des Briefkopfs mit dem Wappen getätigt hat.

Fazit:

Die Entscheidung wurde rechtskräftig. Diese Grundsätze sind auch bei anderen betrieblichen Wahlen zu berücksichtigen.



Behinderung der Betriebsratsarbeit durch Ausspruch eines Hausverbots gegenüber dem Betriebsratsvorsitzenden

LAG Frankfurt, Beschluss vom 28.08.2023, 16 TaBVGa 97/23


Die Parteien streiten im Eilverfahren, über den Zutritt des Betriebsratsvorsitzenden zum Betrieb.

Antragsteller sind der Betriebsrat und der Vorsitzende des Betriebsrats. Antragsgegnerin die Arbeitgeberin.

Am 06.04.2023 (Gründonnerstag) fand um 09:00 Uhr eine Betriebsratssitzung statt. Um 09:21 Uhr schrieb der „Head of HR“ an den Betriebsratsvorsitzenden eine

E-Mail, wonach die Personalabteilung an diesem Tag nur bis 13:00 Uhr besetzt sei. Um 14:30 Uhr versuchte ein Betriebsratsmitglied Unterlagen aus der Betriebsratssitzung bei einem Sachbearbeiter bzw. der Teamleiterin HR Administration abzugeben. Beide verweigerten die Annahme. Danach ging der Betriebsratsvorsitzende zum Betriebsleiter, der auf die E-Mail vom gleichen Tag verwies. Der Betriebsleiter war nicht dafür zuständig die Unterlagen des Betriebsrats mit einem Eingangsstempel zu versehen. Daraufhin nahm der Betriebsratsvorsitzende im Vorzimmer der Betriebsleitung selbst den Eingangsstempel und versah damit unter dem Datum 06.04.2023 die Unterlagen des Betriebsrats, die er unter der Tür durchschob.

Der Arbeitgeber erstattete daraufhin Strafanzeige gegen den Betriebsratsvorsitzenden und sprach ein Hausverbot aus. Ferner leitete er beim Arbeitsgericht Frankfurt ein Verfahren auf Ausschluss des Betriebsratsvorsitzenden aus dem Betriebsrat ein.

Das Arbeitsgericht hat dem Antrag des Betriebsrats und seines Vorsitzenden auf Zutritt zum Betrieb stattgegeben.

Der Arbeitgeber rügt, dass Arbeitsgericht habe nicht ausreichend berücksichtigt dass der Betriebsratsvorsitzende eine Straftat, nämlich eine Urkundenfälschung begangen habe und eine Wiederholungsgefahr bestehe, weil er deutlich gemacht habe, dass er dies zukünftig weiter so machen werden.

Der Betriebsrat vertritt die Auffassung, der Betriebsratsvorsitzende habe sich nicht strafbar gemacht.

Das LAG sah den Anspruch des Betriebsrats als gegeben an. Das Hausverbot stelle eine Behinderung der Betriebsratsarbeit nach § 78 S.1 BetrVG dar. Der Arbeitgeber könne beim Arbeitsgericht nach § 23 Abs. 1 BetrVG den Ausschluss eines Betriebsratsmitglieds wegen grober Verletzung seiner Pflichten verlangen. Dieser Ausschluss wird aber erst wirksam mit Rechtskraft einer arbeitsgerichtlichen Entscheidung und damit für die Zukunft. Der Arbeitgeber könne nicht mit Ausspruch eines Hausverbots der Entscheidung des Arbeitsgerichts vorgreifen. Bei Vorliegen gravierender Pflichtverletzungen könne der Arbeitgeber einen Antrag auf vorläufige Amtsausübung stellen. Prüfungsmaßstab sei auch nicht, ob eine Straftat begangen wurde, sondern ob eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber nicht mehr möglich sei. Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände sei dies nicht der Fall. Der Betriebsratsvorsitzende hat in einer Ausnahmesituation, weil er die E-Mail der Personalabteilung nicht mehr zur Kenntnis nehmen konnte, bei dem Versuch der Zustellung überzogen. Vor diesem Hintergrund erscheint sein Verhalten nicht derart gravierend, dass es ein Hausverbot rechtfertigt.



Wirksamkeit einer Kündigung bei Interessenausgleich mit Namensliste

Arbeitsgericht Hannover, Urteil vom 04.04.2023, 1 Ca 395/22


Die Beklagte beschäftigte bisher ca. 170 Arbeitnehmer. Die Beklagte plante einen Personalabbau von ca. einem Drittel der Beschäftigten. Sie vereinbarte mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich mit Namensliste. Letztendlich wurden 12 Aufhebungsverträge geschlossen und 53 Beschäftigte wurden in einer Namensliste ausdrücklich benannt. Diesen wurde gekündigt.

Der Kläger, ein Maschinenbediener erhob Kündigungsschutzklage und forderte die Beklagte auf, die Gründe, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben, darzulegen. Zu den Gründen erklärte die Beklagte, das bei der sozialen Auswahl das Gesetz eingehalten wurde. Es seien verschiedene Beschäftigungsgruppen gebildet worden Dies entsprach dem Text des Interessenausgleichs. Eine weitere Konkretisierung über die Bildung der Vergleichsgruppen und die Bewertung der einzelnen Faktoren erfolgte jedoch nicht, sondern nur Hinweise auf den ordnungsgemäß abgeschlossenen Interessenausgleich.

Das Arbeitsgericht gab der Klage statt.

Bei einer vereinbarten Namensliste nach § 1 Abs. 5 KSchG wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Gründe bedingt ist. Diese Vermutung muss vom Kläger substantiiert erschüttert werden. Die Beweislast liegt also beim Kläger. Hinsichtlich der vorzunehenden Sozialauswahl gilt diese Vermutung jedoch nicht. Wenn also der Kläger verlangt, dass ihm die Gründe, die zu der sozialen Auswahl gefürt haben, offengelegt werden, dann gilt hier, das der Arbeitgeber darlegungs- und beweisbelastet ist. Der Verweis auf den Interessenausgleich genügt insoweit nicht. Da jeglicher Tatsachenvortrag fehlt, ist die Beklagte ihrer Darlegungslast nicht nachgekommen. Der Klage war stattzugeben.

Fazit:

Die Chancen, eine Kündigungsschutzklage bei einer Namensliste zu gewinnen sind nach wie vor gering. Deshalb sollten Betriebsräte eine Namensliste möglichst nicht vereinbaren. Völlig aussichtlos sind die Verfahren nicht, wenn sich Arbeitgeber zu sicher fühlen und noch nicht einmal ansatzweise die ordnungsgemäße Sozialauswahl darlegen.



Maßregelungsverbot und Zeugniskorrektur

BAG, Versäumnisurteil vom 06.06.2023, 9 AZR 272/22


Die Klägerin verlangt von der Beklagten, das ihr erteilte Arbeitszeugnis abzuändern. Die Beklagte beschäftigte die Klägerin zunächst als „Persönliche Assistentin der Geschäftsführung“ und zuletzt als „Managerin of Administration and Central Services“. Die Beklagte erteilte der Klägerin im März 2021 ein Arbeitszeugnis dessen letzter Absatz wie folgt lautet:

„Frau D. verlässt unser Unternehmen auf eigenen Wunsch. Wir danken ihr für ihre wertvolle Mitarbeit und bedauern es, sie als Mitarbeiterin zu verlieren. Für ihren weiteren Berufs- und Lebensweg wünschen wir ihre alles Gute und auch weiterhin viel Erfolg.“

Die Klägerin verlangte eine Zeugniskorrektur, weil ihr Arbeits- und Sozialverhalten zu schlecht beurteilt wurde. Das daraufhin geänderte Zeugnis enthält folgenden Satz:

„Insgesamt waren ihre Arbeitsergebnisse von guter Qualität.“

Auch dieses Zeugnis wurde von der Klägerin beanstandet. Die Beklagte änderte daraufhin das Zeugnis ein zweites Mal wie folgt:

„Frau D. hat ihre Aufgaben stets zu unserer vollsten Zufriedenheit erledigt und unseren Erwartungen in jeder Hinsicht optimal entsprochen. …

Frau D. verlässt unser Unternehmen auf eigenen Wunsch.“

Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte sei verpflichtet, das die in den ersten beiden Zeugnisfassungen erteilte Dankes- und Wunschformel im letzten Zeugnis enthalten sein müsse. Die Beklagte vertritt die Auffassung, das Maßregelungverbot binde den Arbeitgeber lediglich im laufenden Arbeitsverhältnis und gelte nicht für Sachverhalte nach der Beendigung. Darüber hinaus habe die Klägerin keinen Anspruch auf eine Dankes- und Wunschformel. Ferner schließe der Grundsatz der Zeugniswahrheit die Aufnahme derartiger Schlusssätze aus, wenn sich das subjektive Empfinden des Arbeitgebers nach der Erteilung eines Arbeitszeugnisses geändert hat.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Ziel, die Abweisung der Klage, weiter.

Das Bundesarbeitsgericht entschied durch Versäumnisurteil, da die Beklagte zum Termin nicht erschienen ist. Das BAG betonte jedoch, dass es genauso entschieden hätte, wenn die Beklagte nicht säumig gewesen wäre.

Die Klägerin kann die begehrte Schlussformulierung verlangen. Mit der Weigerung, das dritte Arbeitszeugnis mit einer entsprechenden Formel zu versehen, verstößt die Beklagte gegen das Maßregelungsverbot nach § 612a BGB. Danach darf ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Maßnahme nicht benachteiligen, weil dieser in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Das Maßregelungsverbot schützt die Willensfreiheit des Arbeitnehmers. Das Maßregelungsverbot ist nicht auf das laufende Arbeitsverhältnis begrenzt.

Beachte:

Der Arbeitgeber ist zwar nicht verpflichtet, eine Dankens- und Wunschformel in das Zeugnis aufnehmen. Er darf sie aber nicht ändern, weil ein Arbeitnehmer berechtigterweise eine Korrektur verlangt.

Regina Steiner
Silvia Mittländer
Erika Fischer

Fachanwältinnen
für Arbeitsrecht

Große Friedberger Straße 42
60313 Frankfurt / Main

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